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Deutschland scheint - leider - politisch deutlich erwachsener zu sein als Österreich. Während in Kärnten Landeshauptmann-Stellvertreter Uwe Scheuch trotz erstinstanzlicher Verurteilung unverdrossen sein Amt ausübt, trat in Deutschland der Bundespräsident zurück, weil der Staatsanwalt die Aufhebung seiner Immunität forderte. In Österreich ist selbst eine erfolgte Aufhebung der Immunität kein Rücktrittsgrund.
Den Politikern aber den "Schwarzen Peter" exklusiv umzuhängen, ist nicht gerecht. Die Öffentlichkeit in Österreich geht generell mit solchen Vorwürfen anders um. Da gibt es keine Demos und Bürgerinitiativen für den Rücktritt eines Politikers (wie beim Duisburger Bürgermeister geschehen).
Und auch die Medien des Landes verhalten sich recht ambivalent. In Deutschland haben nicht nachlassende Recherchen von so unterschiedlichen Blättern wie "Spiegel" und "Bild" dazu geführt, dass Christian Wulff zurücktreten musste.
In Österreich dagegen sind gerade eben viele Medien dem PR-Profi Peter Hochegger auf dem Leim gegangen: Er nannte im U-Ausschuss wahllos Namen von Ex-Mitarbeitern, die davor oder danach in politischen Parteien gearbeitet haben. Manche blieben nur zwei Wochen in Hocheggers Agentur, viele haben selbst gekündigt. Manche Kommentatoren sahen - nach den Namensnennungen von Pressesprechern fast aller Parteien - gleich die Demokratie gefährdet. Der ORF ließ sich kurzfristig zur Schlagzeile "Hochegger fordert mehr Kontrollen" hinreißen, bevor diese verschämt verräumt wurde. Über die wahren Skandale um Buwog, Porr oder Novomatic sind Parlament und Medien so schlau wie vor Hocheggers Einvernahme.
Wenn die deutschen Medien derart unbedarft mit Wulff umgegangen wären, säße der deutsche Bundespräsident nach wie vor fest im Sattel.
Warum ist der Unterschied in der politischen Kultur zwischen Deutschland und Österreich dermaßen groß? Eine Erklärung liegt sicher in der unterschiedlichen Größenordnung der beiden Länder. Ein anderer Punkt ist, dass die Politik in Österreich viel tiefer ins gesellschaftliche Geschehen eingreift als in Deutschland. Geld und Karriere hängen in Österreich nach wie vor stark an Deals und weniger an Leistung. Wie lange das noch geht, wird sich erst weisen. Unerträglich ist es längst.