Zum Hauptinhalt springen

Der unverlässliche Staat

Von Christian Ortner

Kommentare
Christian Ortner.

Der bewährte Rechtsgrundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, wird vom Gesetzgeber immer öfter mit Füßen getreten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Transaktionen werden stets diskret und geräuschlos durchgeführt, in der Öffentlichkeit nicht erörtert und bleiben dieser daher fast völlig verborgen: Immer öfter machen sich österreichische Stiftungen, also typischerweise Instrumente zur Verwaltung größerer und großer Privatvermögen von Millionären und Milliardären, dezent aus dem Staub. Oder präziser: Die Stiftung bleibt zwar da, aber das von ihr bisher kontrollierte Vermögen oder jedenfalls ein Teil wird geräuschlos an Stiftungen oder Gesellschaften im Ausland übertragen.

Bei wie vielen der mehr als 3000 heimischen Stiftungen das gerade passiert, ist naturgemäß nicht exakt festzustellen, es sind aber nicht einige wenige Einzelfälle. Mit derartigen Transaktionen befasste Finanzexperten berichten jedenfalls von blendendem Geschäftsgang.

Für all jene, die dauernd die (angeblich) so ungerechte Vermögensverteilung beklagen, wird das Grund zum Jubeln sein. Je weniger große Vermögen es in Österreich gibt, umso gleichmäßiger ist das Vermögen hierzulande verteilt.

Dass die vielen, die ganz wenig oder nichts besitzen, davon gar nichts haben und um keinen Cent reicher werden, wenn die Reichen ihr Vermögen ins Ausland verschieben, werden nur finstere Reaktionäre gegen diesen magischen Zuwachs an Gerechtigkeit einwenden. Und dass im Zuge dieses Abwanderns von Vermögen natürlich auch Jobs in Österreich verlorengehen, müssen wir wohl als Preis dieses sozialen Fortschrittes verstehen.

Bemerkenswert sind die Argumente, die Reiche hinter vorgehaltener Hand für diese - meist teilweise - Übersiedlung ihrer Assets nennen. Es sind nämlich primär nicht steuerliche Überlegungen (wirklich Reiche finden praktisch immer Wege, ihre Steuerleistung schlank zu halten), sondern viel öfter ist es das Gefühl, der Staat biete zu wenig Rechtssicherheit und Verlässlichkeit und greife stattdessen immer öfter zu Willkür und Rechtsbeugung, gerade wenn es um Geld geht.

Und da ist leider was dran. So sehr man es richtig finden kann, dass etwa die Gläubiger der Hypo Alpe Adria einen Beitrag zur Abwicklung leisten sollen oder die Bezieher astronomischer Pensionen im staatsnahen Bereich einen Haircut verpasst bekommen, so wenig ist die brachiale Durchsetzung dieser Interessen durch den Gesetzgeber mit dem rechtsstaatlichen Fundament "pacta sunt servanda" vereinbar. Rechtsverbindliche Zusagen der Republik oder der Länder sind offenbar nur so lange rechtsverbindlich, als es der Republik nicht opportun erscheint, sie im Klo hinunterzuspülen, weil die öffentliche Meinung es so will, das Budget es erfordert oder was an Begründung gerade sonst greifbar ist.

Dass die Besitzer großer Vermögen in einem solchen Klima befürchten, selbst zum Ziel staatlicher Willkür zu werden, ist nachvollziehbar. Warum soll ein Gesetzgeber, der heute einen Notenbank-Pensionisten oder einer Hypo-Anleihebesitzer enteignet, nicht morgen Vermögenden aller Art einen Teil ihres Besitzes wegnehmen? Es ist verführerisch, dies für ein Luxusproblem der Reichen zu halten. Aber das stimmt nicht. Ein Staat, der heute bei diesen Willkür anwendet, wird kein großes Problem haben, morgen auch weniger Reichen zu zeigen, dass "pacta sunt servanda" nicht länger gilt.