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Der unwahrscheinliche Weg zum Krieg

Von Gerhard Mangott

Gastkommentare
Gerhard Mangott ist Professor für Internationale Politik an der Universität Innsbruck.

Eine militärische Invasion Russlands würde nicht nur auf Widerstand ukrainischer Streitkräfte, sondern auch der lokalen Bevölkerung stoßen.


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Die direkte militärische Invasion durch die russischen Streitkräfte in der Ost- und Südukraine ist weiterhin unwahrscheinlich. Russland zielt in der Ukraine nicht auf weitere territoriale Gewinne ab, sondern auf die Durchsetzung seiner Interessen. Diese bestehen in der multilateralen vertraglichen Absicherung des bündnisfreien Status der Ukraine, der Harmonisierung der Freihandelsintegration mit der EU durch das ukrainische Freihandelsabkommen mit Russland sowie einer radikalen Föderalisierung der Ukraine. Wenn sich darüber eine multilaterale Verständigung zwischen Russland, der Ukraine, der EU und der USA finden ließe, könnte eine militärische Eskalation verhindert werden. Dieses multilaterale Format aber funktioniert nicht, weil die Interessen zu sehr divergieren und ihm kein ehrlicher Makler angehört.

Die derzeit an den ukrainischen Grenzen stationierten russischen Soldaten genügen nur für eine begrenzte militärische Operation, nicht aber für den vielerorts befürchteten Vorstoß in der südlichen Ukraine bis Odessa und Transnistrien. Auch für die Sicherung der Grenzen der dann besetzten Regionen Charkiw, Lugansk und Donezk reichen die derzeit Manöver abhaltenden russischen Truppen nicht aus. Moskau müsste die Zahl der Invasoren deutlich erhöhen; derart viele modernisierte Brigaden hat Russland aber nicht.

Eine militärische Invasion Russlands würde auch auf den Widerstand erheblicher Teile der lokalen Bevölkerung stoßen. Nur wenige Bürger der genannten Regionen halten die Regierung in Kiew für legal, aber nur eine kleine Minderheit will den Anschluss an Russland. Die überwiegende Mehrheit will nur größere Autonomierechte für die eigene Region. Die Zustimmung zu Aktionen der Aufständischen ist gering.

Eine militärische Invasion würde auch auf Widerstand ukrainischer Streitkräfte und in der Folge auch ukrainischer Partisanen stoßen. Ein offener Krieg mit zahlreichen Toten wäre auch in Russland nicht populär. Die russische Bevölkerung unterstützte zwar die Annexion der Krim; Umfragen zufolge lehnt sie einen "Bruderkrieg" zwischen den beiden slawischen Nationen aber ab.

Nicht zuletzt die berechtigte Sorge vor sektoralen Wirtschafts- und Finanzsanktionen durch die EU und die USA hält Russland von einem direkten militärischen Eingriff ab. Die wirtschaftlichen Kosten eines weiteren territorialen Ausgreifens Russlands könnte die stagnierende russische Volkswirtschaft nicht verkraften. Die östlichen Regionen der Ukraine müssten wirtschaftlich radikal modernisiert werden - ein sehr teures Unterfangen.

Wahrscheinlicher als ein offener Krieg ist, dass Russland weiterhin auf eine Destabilisierung der Regionen in der Ostukraine setzt und diese direkt oder indirekt unterstützt. Das untergräbt die Legitimität und Effektivität der Interimsregierung in Kiew. Dadurch werden auch die für 25. Mai angesetzten Präsidentenwahlen teilweise diskreditiert. Auf gewalttätige Aufständische zu setzen, die Geiseln nehmen und mutmaßlich Gegner ermorden, ist aber eine unwürdige Strategie.

Eine Unsicherheit besteht allerdings: Sollte sich die ukrainische Führung entscheiden, militärisch gegen die Aufständischen vorzugehen, ist eine - allerdings begrenzte - militärische Intervention Russlands denkbar.