Zum Hauptinhalt springen

Der US-Student als rare Spezies

Von WZ-Korrespondent John Dyer

Wissen

Studienkosten sind in den letzten 25 Jahren explodiert. | Bundesstaaten reduzieren seit Jahren Fördermittel. | Boston. Amerikas Universitäten leiden unter Geldnot. Doch das ist bei weitem noch nicht das Schlimmste. Zwei aktuellen Studien zufolge läuft das hoch angesehene System nämlich Gefahr, unter den stets höher gewordenen Kosten und den immer geringeren Einnahmen zusammenzubrechen. Die Situation ist sogar so ernst, dass die Studienautoren den College-Absolventen als eine in Zukunft rare Spezies betrachten, weil die Ausbildungskosten in den nächsten Jahren in astronomische Höhen klettern werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Studienkosten sind schon von 1982 bis 2007 um knapp 440 Prozent gestiegen, weitaus höher als die Ausgaben für Gesundheit, Wohnen oder Lebensmittel. Das mittlere Familieneinkommen ist im gleichen Zeitraum um rund 150 Prozent gewachsen.

"Höhere Bildung ist zunehmend Barriere statt Tor zum Erfolg für die Studenten aus Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen", sagt James Hunt, Direktor des National Centers for Public Policy and Higher Education, das eine der Studien erstellt hat. Der ehemalige Gouverneur von North Carolina fügt hinzu: "Die Bundesstaaten müssen etwas gegen diese Blockade unternehmen, um sicherzustellen, dass die Vereinigten Staaten wettbewerbsfähig mit anderen Industrienationen bleiben."

Studieren auf Kredit

Hochbegabte Studenten, die von Harvard, Yale und anderen Eliteuniversitäten angenommen werden, betrifft das freilich nicht. Diese renommierten Institutionen verfügen trotz Kapitalmarktkrise und dem Einbruch bei universitätseigenen Investmentfonds noch immer über viele Milliarden Dollar und geben armen Studenten großzügigere Stipendien als man sie in Europa kennt. Das Problem haben die Durchschnittsstudenten an den öffentlich finanzierten Durchschnittsuniversitäten.

Anders als in manchen europäischen Staaten gibt es in den USA keine kostenlose Hochschul- und Universitätsausbildung. Die meisten Amerikaner bezahlen ihren Universitätsabschluss aus eigener Tasche, oft mit Krediten, die sie später abbezahlen müssen. Doktoranden finanzieren ihrer Lebens- und Studienkosten oft durch Lehrtätigkeit an ihrer Universität.

Kleinere öffentliche Schulen, sogenannte "Community Colleges", die jedem Studenten offen stehen, kosten rund 3200 Dollar pro Jahr. Das ist ein Zuwachs um vier Prozent pro Jahr seit 1996, stellt die zweite, von der National Association of State Universities and Land-Grant Colleges verfasste Studie fest. Öffentliche Forschungsuniversitäten kosten mit durchschnittlich 10.000 Dollar pro Jahr sieben Prozent jährlich mehr als vor 20 Jahren. Private Hochschulen kosten durchschnittlich mehr als 33.000 Dollar, eine Kostensteigerung um jährlich sechs Prozent seit 1996.

Die Studienergebnisse kommen zu einem Zeitpunkt, in dem die Bundesstaaten massive Haushaltslücken aufweisen, die die öffentliche Universitätsausbildung weiter gefährden. Dabei ist die Hochschulfinanzierung ohnehin seit Jahren rückläufig. Die Aufwendungen der Bundesstaaten pro Student sind seit 1996 etwa von 6900 auf 6500 Dollar gesunken.

Schlechte Leistungstests

Die Einsparungen spiegeln sich auch in Leistungsvergleichen wider: Studenten in den USA hinken inzwischen denen aus anderen Nationen hinterher, insbesondere in Mathematik und bei den Lesefähigkeiten. Und im Vergleich mit den besten privaten Universitäten in den USA können nur noch die öffentlichen Universitäten von Kalifornien, Michigan und Virginia mithalten. Allerdings können sich diese Hochschulen auf massive Zuwendungen reicher Ex-Studenten und die Einnahmen aus Patenten stützen.

Die weit auseinander klaffende Schere zwischen steigenden Bildungskosten und amerikanischen Einkommen kommt für viele US-Bürger einem bösen Erwachen gleich. Seit jeher sind die Amerikaner zwar bereit, alles zu tun, um ihre Kinder aufs College zu schicken, auch wenn sie sich bis zum Hals verschulden müssen.

In der Gruppe der ärmsten US-Bürger machen die Kosten für eine öffentlichen Universität aber mittlerweile 55 Prozent des Einkommens aus - eine Steigerung um 40 Prozent seit dem Studienjahr 1999/2000. Familien mit mittleren Einkommen wenden rund 25 Prozent davon für das College auf. Auch das ist eine Steigung von 18 Prozent in den letzen acht Jahren.

Die Kostenexplosion fordert ihren Tribut. Auf einer Liste von 29 Staaten liegen die USA beim Anteil der Studenten mit College-Abschluss an der Gesamtbevölkerung nur noch auf Platz 15. Davor liegen mit höheren Abschlusszahlen vor allem europäische Länder. "Wenn diese Entwicklung noch 25 Jahre so weiter gehen sollte, werden wir kein bezahlbares System der höheren Bildung mehr haben", sagt National-Center-Präsident Patrick Callahan: "Schon jetzt sind wir eines der wenigen Länder, in denen die 25- bis 34-Jährigen weniger gebildet sind als ältere Berufstätige."