Der Kalifornische Schweinswal verschwindet. Er ist der Beifang eines Fisches, der mehr wert ist als Kokain: des Totoaba.
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Golf von Mexiko. An der Rettung des Vaquita arbeiten viele, doch es sieht nicht gut aus für den kleinen Wal. Es geht um Gier und Artensterben und den tödlichen Zusammenhang von zwei Fischen: dem Vaquita und dem Totoaba, der der Familie der Umberfische angehört. Dieser sieht nicht wirklich hinreißend aus, wird bis zu zwei Meter lang und 100 Kilogramm schwer. Bedauerlicherweise trägt er etwas in sich, das auf dem Schwarzmarkt mehr wert ist als Gold, mehr als Kokain: seine Schwimmblase. Dafür werden am Schwarzmarkt an die 100.000 US-Dollar bezahlt. Der Fischer vor Ort bekommt für die Ware rund 4000 Dollar. Nach dem Fang wird sie getrocknet und landet in China auf dem Speisetisch, wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet oder dient als Aphrodisiakum. Gerne wird sie auch als Kapitalanlage und Statussymbol erworben. Da das Fischen des Totoabas seit 1957 verboten ist, gilt das Organ als hochbezahltes Schmugglergut, mit dem relativ risikoarm schnelles Geld gemacht wird.
"Aquarium der Welt"
Ruchlos gewildert wird im Meer von Cortez. Diese Gewässer im Golf von Kalifornien hat der legendäre Meeresforscher Jacques Cousteau einst als "Aquarium der Welt" bezeichnet. Meilenweit ausgelegte und am Meeresboden verankerte Kiemennetze auf einem relativ kleinen Gebiet von 2235 Quadratkilometern werden für alle Meeresbewohner zur tödlichen Falle, aus der es kein Entrinnen gibt. Das gilt nicht nur für Schildkröten, Haie und Delfine, sondern eben auch für den Schweinswal Vaquita. Sein Pech ist es, dass er ausschließlich im Gebiet der Totoaba lebt. Er verfängt sich in den Netzen, ertrinkt qualvoll, stirbt als Beifang. Damit verschwindet er, obwohl er auf der Liste der Gefährdeten Arten seit 1996 steht: 1997 gab es 567 Exemplare, 2008 nur mehr 245 und 2015 etwa 60 Tiere, 2016 waren es 30, im Dezember 2018 zwischen 15 und 20. Anfang September wurden sechs gesunde Tiere vor der Küste Mexikos gesichtet.
Ein wenig Glück hat der Vaquita dennoch. Er erregt Aufsehen. Das Welterbekomitee der Unesco setzte Anfang Juli Mexikos Inselarchipel im Golf von Kalifornien, die Heimat der Vaquita, auf die Liste des gefährdeten Naturerbes der Welt. Mit dem Status soll auf dringenden politischen Handlungsbedarf hingewiesen werden. Mexiko hatte im vergangenen Jahr eine Erweiterung des Schutzgebiets von 1263 auf 1841 Quadratkilometer erklärt. Sogar auf der Artenschutzkonferenz Cites, die im August in Genf stattfand, einigten sich Mexiko, die USA und China auf ein gemeinsames Vorgehen, um das erstmalige Aussterben eines Meeressäugetiers zu verhindern.
Panda des Meeres
Ein Grund ist sein putziges Äußeres, das ihm den Namen "Panda des Meeres" eingebracht hat: Seine Augen sind schwarz umrandet, ebenso sein Maul, was ihn immerzu lächelnd scheinen lässt. Sein Kopf ist rundlich und die Schnauze stumpf, er ist ein Leichtgewicht von 55 Kilogramm und mit einer Länge von 1,5 Metern eher klein. Er ist scheu, lebt solitär und reproduziert sich nur im Abstand von zwei Jahren. Anderes als ein Delfin ist er überhaupt nicht an Menschen oder gar Booten interessiert. Zum Atmen taucht er langsam an die Oberfläche, macht eine kleine Vorwärtsrolle und schon ist er wieder weg. Möglicherweise bald für immer. Warum es aber nicht nur um den Vaquita geht, sondern um das gesamte Ökosystem in der Region, damit beschäftigt sich die aktuelle National-Geographic-Doku unter der Regie des Österreichers Richard Ladkani. Sie trägt den Titel "Sea of Shadows" und zeigt erstmals die Geschichte des Meeressäugers und jener, die sich für seinen Schutz einsetzen. Ihr erklärtes Ziel heißt: "Der Vaquita darf nicht sterben."
Die Dreharbeiten gestalteten sich entsprechend gefährlich zwischen allen Fronten: dem mexikanischen Drogenkartell und der chinesischen Mafia. Den illegalen, meist schwer bewaffneten Wilderern, die gegen die mexikanische Marine und die legalen Fischer kämpfen. Wie die Fischer Alan und Javier Valverde. Sie haben sich entschieden, auf die Seite der Regierung zu stehen. Dabei sehen sie zu, wie Kriminelle hohe Profite mit einem einzigen Fang aus dem Meer machen. "Zuerst wird das Meer aussterben. Dann werden unsere Leute sterben", sagt Javier Valverde. In unzähligen Versuchen forscht die Umweltorganisation "Sea Shepherd" nach Geisternetzen, um diese wieder aus dem Meer zu holen. Immer wieder werden sie dabei von Kriminellen attackiert. Verbissen kämpft auch der erste Offizier der "Sea Shepherd" und Drohnen-Pilot Jack Hutton. Unermüdlich schickt er eine Drohne in den Nachthimmel, die das Gebiet abfliegt und Wilderer aufspürt: "Wir werden hier weiterkämpfen und die Tiere befreien, die Netze aus dem Wasser holen und versuchen, jedes einzelne Leben zu retten."
Einzigartige Rettungsaktionen
Den verbleibenden Bestand der Vaquita zu sichern, darum geht es Dr. Cynthia Smith vom Vaquita-CPR-Artenschutzprogramm. Man versucht, die Vaquita temporär umzusiedeln, ist aber bisher daran gescheitert, da sie enormen Stress in menschlicher Obhut entwickeln. "Ihr Lebensraum muss sicher werden, dann könnten sie sich dank ihrer starken genetischen Disposition wieder vermehren." Trotz Todesdrohungen recherchiert der mexikanische Journalist Carlos Loret de Mola investigativ und debattiert die Vaquita-Krise gar öffentlich im mexikanischen Fernsehen. Er entlarvte etwa Oscar Parra, den "El Chapo der Totoabas": "Als Journalist decke ich Verbrechen und Ablenkungsmanöver auf und bringe die Wahrheit ans Licht."
Für die Dreharbeiten war Regisseur Richard Ladkani acht Monate vor Ort, getragen von dem Gedanken: "Warum sollte man sich Sorgen um den Vaquita machen, einen kleinen Schweinswal, dessen Namen man wahrscheinlich noch nie gehört und gesehen oder ihn gar berührt hat, geschweige denn um sein Schicksal weiß? Ganz einfach: Weil der Vaquita ein mächtiges Symbol von dem ist, was wir auf unserem Planeten verlieren. Wenn wir nicht den kleinsten und meistgefährdeten Kleinwal retten können, welche Hoffnung gibt es da noch für Elefanten, Tiger und Nashörner?"
Laut Ladkani geht es um von Menschenhand ausgelöste Zerstörung und die Gier einiger weniger: Im Juni 2019 wurden zwei Chinesen in Kalifornien festgenommen, sie hatten Schwimmblasen im Wert von vier Millionen US-Dollar bei sich. Im März haben chinesische Behörden elf Menschen strafrechtlich verfolgt. Sie wollten Totoaba-Blasen von 119 Millionen US-Dollar schmuggeln. 2018 hat der chinesische Zoll 440 Kilo an Blasen von rund 26 Millionen US-Dollar sichergestellt. Das Ausgangsmaterial kam von Andrea Crosta. Er war schon länger den schweren Umweltverbrechen im Golf von Kalifornien auf der Spur und konnte belegen, dass sich die chinesische Mafia und mexikanische Drogenhändler zusammengeschlossen haben, um ein grausames, höchst lukratives Geschäft abzuwickeln.
Umweltkriminelle entlarven
Crosta spielte schon in Ladkanis letztem Film "The Ivory Game" den Undercover-Agenten. Der gebürtige Italiener ist es auch in Echt: Als Geschäftsführer und Co-Gründer von Earth League International (ELI) hat er jahrzehntelange Erfahrung mit verdeckten Ermittlungen und kennt die Arbeitstechniken des CIA gut. Ihm geht es vor allem darum, das eigentliche Verbrechen offenzulegen. Dafür hat er Namen, Adressen und Daten der Händler, Mittelsmänner, Schlepper und Drahtzieher ausfindig gemacht. Crosta gab sich beispielsweise als illegaler Käufer aus und sprach mit chinesischen Schwarzhändlern, wie sie den Totoaba verwenden, um das Geld zurück nach China reinzuwaschen.
Den Totoaba entzaubern
Eines ist Crosta klar: "Ein Konservierungsplan allein reicht nicht aus." Man müsse die gesamte Versorgungskette zerschlagen, nicht nur die Wilderer und Endkonsumenten ausforschen, sondern mit einer harten Strafverfolgung die Mittelsmänner, die aus Transitländern operieren, die Geschäftsmänner und die korrupten Regierungsbeamten ausschalten. Und den Menschen vor Ort, den Fischern, eine Existenz sichern. "Noch verdient man mit einem Totoaba mehr als andere in einem Jahr. Daher gilt es, das Problem an der eigentlichen Wurzel zu packen und die sinnlose Nachfrage nach dem Totoaba zu entzaubern."
"Es ist Eile geboten. Die von Profitgier getriebene Ausrottung passiert im Echtzeitmodus. Jetzt", warnt der Ermittler Andrea Crosta. Bald wird es für die letzten der Vaquita gefährlich: Von Jänner bis April ist Hauptfangzeit, das könnte ihr Ende einleiten.
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Filmtipp
Premiere der in Mexiko und China gedrehten Doku "Sea of Shadows" ist heute, 12. September 2019, im Gartenbaukino, am 20. September läuft sie in den Kinos an. Die Terra Mater Produktion unter der Regie des Österreichers Richard Ladkani thematisiert die Folgen des illegalen Handels mit Totoaba-Schwimmblasen. 2019 erhielt sie beim Sundance Festival den Publikumspreis in der Kategorie der ausländischen Dokuarbeiten.
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