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"Noch einmal abstimmen lassen". | "Wiener Zeitung":Was wünschen Sie sich von der österreichischen Ratspräsidentschaft - eine Beschleunigung der Diskussion um die EU-Verfassung oder eine weitere Nachdenkpause? | Andrzej Szejna: Wir haben genug nachgedacht, Der Verfassungsentwurf ist der beste Kompromiss, auf den sich die 25 EU-Staaten einigen konnten. Und es ist ein durch und durch gelungener Entwurf. Durchgefallen ist er nicht, weil er den Bürgern Europas missfallen hat, durchgefallen ist die EU-Verfassung, weil ihr das entscheidende Quäntchen Glück gefehlt hat. Weil zur Zeit der Abstimmung Frankreich und die Niederlande schwere innenpolitische Probleme hatten und Europa als Sündenbock herhalten musste. Wir sollten den Ratifizierungsprozess daher so schnell wie möglich fortsetzen und dann in Frankreich und den Niederlanden noch einmal abstimmen lassen.
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Und wenn es noch einmal schief geht?
Dann wird die Welt auch nicht untergehen. Dann verliert Europa zwar eine Riesenchance auf weitere Entwicklung, aber man wird dann eben schauen müssen, wie man die dringendsten EU-Probleme, vor allem die Institutionenreform auch ohne Verfassung löst.
Polen und die neuen Mitgliedsstaaten sind mit der Verfassung zufrieden?
Ich kann zumindest für mich und meine Kollegen sagen: Dieser Verfassungsentwurf gewährt ein Gleichgewicht zwischen einem sozialen und einem wirtschaftlich konkurrenzfähigen Europa. Es mag aus dem Mund eines Sozialisten komisch klingen, aber gerade die liberalen Ideen der innereuropäischen Marktöffnung bringen letztlich sozialistische Ergebnisse: Weil sie die Arbeitslosigkeit senken und das Wachstum ankurbeln- nicht nur in neuen Mitgliedsstaaten.
Den Vorwurf, die Verfassung würde soziale Belange zu wenig berücksichtigen, teilen Sie offenbar nicht.
Wir hätten in die europäische Verfassung natürlich Dinge wie Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnung, Recht auf Bildung hineinschreiben können. Aber schauen Sie sich doch die polnische Verfassung an - da ist das alles festgehalten. Und? Wir haben trotzdem Arbeitslosigkeit, zu teure Wohnungen und fast zwei Drittel der Studenten müssen für ihre Studienplätze zahlen. Außerdem könnte die EU bei dem geringen Anteil des europäischen BIP, das ihr zur Verfügung steht, die Durchsetzung derart weitgehender Sozialrechte ohnehin nicht gewährleisten.
Ein Schrei nach mehr Geld aus Brüssel?
Ich bin schon dafür, dass nationale Parlamente ihre Kompetenzen an die Union abgeben. Aber dafür muss es eine Art Entschädigung geben. Je mehr Kompetenzen von den nationalen Parlamenten abgegeben wird, desto mehr muss das Europäische Parlament gestärkt werden. Im Moment haben es die Europaparlamentarier auf eine gewisse Art recht bequem: Sie bestimmen zwar mit, debattieren, die endgültige Verantwortung liegt aber doch nicht bei ihnen. Ich finde, wir sollten die volle politische Verantwortung für Europa wagen, dafür aber auch bestimmen können: über das Budget, über die Zusammensetzung der Kommission, über die Richtlinien der europäischen Politik.