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Der Verführer mit der Geige

Von Hermann Schlösser

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Die Sendung "musica" (arte) ist fast immer schön anzuschauen und anzuhören. Besonders schön war sie vergangenen Mittwoch, denn porträtiert wurde Schnuckenack Reinhardt. Angekündigt wurde er, wie es sich gehört, als "Sinti-Geiger", aber er selbst sagte unverdrossen "Zigainer", als ob er von den neueren Sprachregelungen nichts wüsste. In breitem Pfälzisch, einem Dialekt, dessen derbe Schönheiten in Österreich allenfalls durch Helmut Kohl bekannt sind, erzählte der alte Mann aus seinem abenteuerlichen Leben. Während der Nazizeit wurde er mit seiner Familie aus Deutschland vertrieben. Die Reinhardts lebten illegal in Polen, und zwar von dem, was sie am besten konnten: dem Musizieren. Sie spielten für deutsche Soldaten und auf polnischen Hochzeiten, nach 1945 dann - wieder in Deutschland - auch für die Amerikaner. Und in den sechziger Jahren wurde das "Schnuckenack Reinhardt Quintett" richtig berühmt.

Sicher ist der Schnuckenack kein so origineller Musiker, wie es sein Cousin zweiten Grades, Django Reinhardt, gewesen ist. Aber er ist doch ein wahrer Könner auf seinem Instrument. Und außerdem ist er ein witziger und sehr sympathischer Plauderer. Unter anderem berichtete er, dass er in den frühen dreißiger Jahren von der Geige aufs Saxophon umsteigen wollte. Als er sich aber beim Spielen im Spiegel betrachtete und seine aufgeblasenen Backen sah, verabschiedete er diese Idee. Denn - und nun kommt ein pfälzischer O-Ton: "So kannsch die Mädle ned verführe, mit denne Backe do . . ." Deshalb blieb er der Geige treu, die ihn später berühmt machen sollte. Wenn es wahr ist.