Politik braucht Innovationen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Schließlich kann unmöglich alles schlecht sein, was die Wirtschaft so erfunden hat.
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Es ist ja durchaus erfreulich, dass sich die Weisheit der Wähler, auch wenn sie bisweilen unergründlich in ihrer Rätselhaftigkeit erscheinen mag, mittlerweile bis in die allerhöchsten Kreise herumgesprochen hat. Na ja, sagen wir in ziemlich hohe Kreise. Wahrscheinlich ist es bereits tatsächlich so, dass sich die führenden Vertreter der herrschenden Klasse Tag und Nacht ihr Hirn zermartern, was sie noch alles den Bürgern zur Entscheidung überlassen könnten. Das ist nur konsequent, schließlich wird die Welt auch nicht mehr einfacher und die Zeit zum Nachdenken - ganz zu schweigen vom Personal! - immer knapper.
Nahtlos in diesen Trend passt auch eine andere Form der politischen Selbstfesselung, nämlich die direkte Koppelung von Personalentscheidungen an eine etwas unpolitisch interpretierte Form des Wahlergebnisses. So wird etwa in Kreisen der österreichischen EU-Abgeordneten darüber diskutiert, ob nicht automatisch der Spitzenkandidat der stimmenstärksten Partei bei der EU-Wahl Österreichs Vertreter in der EU-Kommission werden soll.
Für ein solches Übereinkommen, das allenfalls auf politische Ebene erfolgen könnte, spricht zweifellos, dass so die gemeinhin eher stiefmütterlich behandelten EU-Wahlen aufgesext werden könnten. Dies würde zudem der - vorerst noch geplanten - Entwicklung auf europäischer Ebene entsprechen, wo die großen politischen Parteien EU-weite Spitzenkandidaten nominieren, wobei dem Sieger der Posten des neuen Kommissionspräsidenten zufallen soll.
Klingt fürs Erste also durchaus charmant. Wer der EU mehr nationale Aufmerksamkeit zuschaufeln will, muss offensichtlich zu kreativen Mitteln greifen. Beim genaueren Hinsehen stellen sich jedoch einige Nachteile ein, und diese sind durchaus substanzieller Natur. So empfiehlt sich etwa ein kurzer Blick ins Archiv. 1999 etwa hätte nach dieser Vorgabe der österreichische EU-Kommissar Hans-Peter Martin geheißen, der damals für die SPÖ als Spitzenkandidat Platz eins errang. Zweifellos ein interessantes Gedankenspiel, wenn man bedenkt, dass sich Martin noch mit jedem Weggefährten heillos zerstritten hat. 2009 hätte der Name des österreichischen Kommissars dann Ernst Strasser gelautet. Naja. Und da ist noch keine Rede davon, dass ausschließlich EU-freundliche Parteien Wahlen gewinnen - 1996 etwa lagen verschwindend geringe 2,1 Prozentpunkte zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ.
Das wichtigste Argument hat mit solch fantastischer Gehirnakrobatik nichts zu tun, hier geht es um nüchternen Pragmatismus: Wie, bitteschön, sollen dann die anderen Topjobs, die die Republik zu vergeben hat, besetzt werden, wenn einfach willkürlich alles dem Glücksrad der Wählerlotterie überlassen wird? Wer nicht den Kommissar bekommt, muss sich schließlich über etwas anderes freuen können, zum Beispiel den ORF-General. Oder heißt es dann, dass der unterlegene Spitzenkandidat der EU-Wahl automatisch ORF-Generaldirektor wird? Das wäre einmal wirklich innovative Bürgerbeteiligung. Ex negativo halt, aber immerhin.