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Der versuchte Abgang als Held

Von WZ-Korrespondent Andreas Hackl

Politik

Verteidigungsminister Ehud Barak zieht sich aus der israelischen Politik zurück.


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Jerusalem. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hat am Montag mit seinem plötzlichen Rücktritt für Überraschung und Verwirrung auf der politischen Bühne in Israel gesorgt. Nach einer langen Karriere in Militär und Politik erklärte Barak in einer Pressekonferenz, dass persönliche Gründe hinter seinem Rückzug stünden. "Ich will studieren, schreiben und leben", sagte Barak. Vor allem wolle er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Offiziell will er aus der Regierung ausscheiden, sobald nach den Parlamentswahlen am 22. Jänner ein neues Kabinett steht.

Der 70-jährige Barak war vor seiner politischen Laufbahn 35 Jahre lang beim israelischen Militär, vier Jahre davon stand der höchstdekorierte Soldat des Landes als Generalstabschef an der Spitze der Hierarchie. Entscheidend für seinen plötzlichen Rücktritt dürften vor allem die schlechten Aussichten für seine Partei bei den bevorstehenden Wahlen gewesen sein. Seine Atzmaut-Partei - zu Deutsch "Unabhängigkeit" - ist durch eine Abspaltung von der Arbeitspartei im Jänner 2011 geformt worden und hätte es laut jüngsten Umfragen gerade noch ins Parlament geschafft, wenn überhaupt. Barak, der eine der Schlüsselfiguren der israelischen Iran-Politik ist, genießt als Kriegsheld zwar in Sicherheitsfragen das Vertrauen der Bevölkerung. Dennoch dürfte der Blick nach vorne für den 70-Jährigen zu riskant ausgesehen haben.

Neue Partei, alte Probleme

Doch auch der Blick nach hinten zeigt einige Gründe, die hinter seinem Rückzug stehen könnten. Denn nach mehreren politischen Seitensprüngen und der Abspaltung von der Arbeitspartei wurde Barak vor allem eines nachgesagt: dass er Opportunist sei.

Als Ministerpräsident zog er im Jahr 2000 Israels Truppen nach einer langen Besatzung aus dem Südlibanon ab und führte danach die gescheiterten Camp-David-Gespräche mit Palästinenserführer Yassir Arafat. Elf Jahre später, im Jänner 2011, regte sich nach einem weiteren Fehlschlag des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses Unmut in der Arbeitspartei, die damals noch unter Baraks Führung stand. Als Teil der Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu forderte die Partei Fortschritte im Friedensprozess und drohte mit dem Koalitionsaustritt.

Nach einem massiven parteiinternen Richtungsstreit weigerte sich Barak letztlich, die Koalition zu verlassen, und konnte vier von zwölf Abgeordneten dazu überreden, mit ihm die "Unabhängigkeitspartei" zu gründen. So konnte Barak in Netanyahus Regierung bleiben und sicherte damit nicht nur sein eigenes Überleben, sondern für 20 Monate auch den Fortbestand der Koalition.

Viele in der Arbeitspartei haben ihm die Unterstützung der von rechtskonservativen Parteien dominierten Regierung bis heute nicht verziehen. "Jeder weiß, dass Barak erst versprochen hatte, nicht mit Netanyahu in eine Koalition zu gehen. Dann hat er die Arbeitspartei verlassen und eine opportunistische Partei gegründet", sagt der israelische Jungpolitiker Tal Harris, der Mitglied im Zentralkomitee der Arbeitspartei ist. Vom ideologischen Profil seiner Partei her wäre Barak eigentlich die moderate Stimme in der Regierung unter Netanyahu gewesen, wurde aber immer mehr zu einem liberalen Feigenblatt für die zunehmend nationalistische Politik der Regierung.

"70 Prozent der israelischen Öffentlichkeit sehen Barak als guten Verteidigungsminister. Nur hat das nicht mehr Unterstützung für seine Partei gebracht", erklärt Harris. Dieses persönliche Dilemma Baraks haben auch die anderen Parteien erkannt. Viele hätten in den letzten Wochen versucht, Barak auf ihre Liste zu setzen, sagt er. Besonders die Oppositionspolitikerin mit den besten Umfragewerten, Tzipi Livni, wollte Barak jüngst für einen starken Mitte-Links-Block gewinnen, der es mit dem rechten Parteiblock unter Netanyahus Führung hätte aufnehmen können. Livni selbst scheint jedoch vorerst noch abzuwarten, ob der ehemalige Spitzenkandidat der Kadima-Partei, Ehud Olmert, nach einem Korruptionsskandal in die Politik zurückkehrt.

Ganz abschreiben wollen einige in Israel Barak aber noch nicht. Netanyahu, der Umfragen zufolge nach der Wahl im Jänner Regierungschef bleiben wird, darf als solcher einen Kabinettsposten mit einem Nicht-Parlamentsmitglied besetzen. Doch weitaus wahrscheinlicher ist, dass Barak in der Pressekonferenz am Montag logische Schlüsse gezogen hat. Seine Popularität ist jüngst wieder gestiegen, denn ohne Baraks Mitwirken wäre es vermutlich nicht zur jüngsten Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas in Gaza gekommen. So dürfte er einem Abgang in Ehren den Vorzug gegenüber den drohenden Verlusten gegeben haben.