Online-Hass und Holocaust-Leugnung im Internet dürfen sich nicht verbreiten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wenn man derzeit auf Telegram nach öffentlich zugänglichen Informationen über den Holocaust sucht, besteht eine 50-prozentige Chance, dass das Ergebnis Beiträge sind, die die Erinnerung an die Shoah leugnen oder verfälschen. Bei einer Suche in deutscher Sprache steigt die Wahrscheinlichkeit sogar auf 80 Prozent.
Es klingt unglaublich: 80 Prozent der Informationen in deutscher Sprache, die auf öffentlichen Kanälen auf Telegram zu finden sind, behaupten entweder, der Holocaust hätte nicht stattgefunden, oder sie verfälschen die Fakten erheblich.
Dies geht aus einer in diesem Monat veröffentlichten Studie der Vereinten Nationen und der Unesco hervor, die vom Jüdischen Weltkongress unterstützt wurde. Dabei wurden das Ausmaß sowie die Art der Holocaust-Leugnung und -Verfälschung auf den Online-Plattformen Facebook, Instagram, Telegram, TikTok und Twitter in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch untersucht.
All diese antisemitischen Beiträge sind leicht zugänglich für Personen, die auf der Plattform nach Informationen über den Holocaust suchen. Da Telegram keine Richtlinien hat, um gegen Holocaust-Leugnung oder -Verzerrung vorzugehen, schafft es einen fruchtbaren Boden dafür. Die Folge: Personen, die den Holocaust leugnen, ihn verharmlosen oder verhöhnen wollen, strömen zu Telegram, um dies dort ungehindert und meist straflos tun zu können.
Fake News zum Holocaust in Posts und Memes
Die Studie fand zwar auch auf anderen Plattformen viele Fälle von Holocaust-Leugnung, aber dort, wo die Plattformen die verfügbaren Inhalte moderieren und entsprechende Richtlinien haben, waren die Zahlen niedriger. Doch fast jeder fünfte (19 Prozent) aller öffentlichen Twitter-Inhalte mit Holocaust-Bezug leugnete oder verzerrte die Geschichte. Ebenso 17 Prozent der öffentlichen TikTok-Inhalte, die sich auf den Holocaust bezogen. 8 Prozent der öffentlichen Inhalte auf Facebook zum Holocaust enthielten entweder Holocaust-Leugnung oder -Verzerrung. 3 Prozent des öffentlich auf Instagram geposteten Materials, das den Holocaust thematisierte, leugnete oder verzerrte die Fakten.
Diese Fake News werden häufig in Posts und Memes verbreitet, die sich über die jüdischen Opfer des Holocaust lustig machen oder Adolf Hitler verherrlichen, wobei die Nutzer sich mitunter darüber beklagen, dass es den Nazis nicht gelungen ist, alle europäischen Juden zu vernichten.
Diese hasserfüllte Rhetorik und Geschichtsverfälschung im Internet kann zu Gewalttaten gegen Juden und andere Menschen führen. Beim Terroranschlag an Yom Kippur 2019 im deutschen Halle verbreitete der Angreifer seine Tiraden per Livestream in den Sozialen Medien und behauptete, der Holocaust hätte nie stattgefunden. Andere Täter haben ähnliche Botschaften zuvor in den Sozialen Medien und in Online-Texten verbreitet.
Telegram wurde 2013 von den russischen Unternehmern Pavel und Nikolai Durov gegründet und hat jetzt ihren Hauptsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Plattform wurde in Deutschland in Urteilen nicht mehr als bloße Messaging-App deklariert und muss sich daher an deutsches Recht und Auflagen des Netz-Datenschutzgesetzes halten. Aber Telegram weigert sich weiterhin, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, und nur in wenigen Fällen wurden Terrorismus und Extremismus auf der Plattform gelöscht oder kommentiert.
Die Shoah-Überlebenden sterben aus
In ein paar Jahren werden wir keine Überlebenden mehr haben, die über den Holocaust berichten können. Stattdessen werden Millionen von Onlline-Beiträgen weltweit kursieren, in denen behauptet wird, dass diese Überlebenden über ihre Verfolgung durch das Naziregime übertrieben oder sogar gelogen hätten.
Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir nicht nur die Erinnerung an den Holocaust und seine Lehren für unsere Gesellschaften verlieren, sondern auch die Rehabilitierung der gewalttätigen Ideologie, die dahinter stand, ermöglichen. Wir rufen daher Regierungen und internationale Organisationen auf, eine aktivere Rolle bei der Bekämpfung dieses Hasses im Internet zu übernehmen.
Der Jüdische Weltkongress arbeitet auch mit Internet-Plattformen und der Unesco zusammen, um die Verbreitung von faktentreuen Informationen über den Holocaust zu unterstützen. Ein Beispiel dafür ist die Einführung von Funktionen auf Facebook und TikTok, die die Nutzer ermutigen, mehr über den Holocaust auf der Online-Plattform des WJC und der Unesco (www.aboutholocaust.org) zu erfahren. Wenn Nutzer nun nach Begriffen suchen, die mit dem Holocaust in Verbindung stehen, werden sie aufgefordert, diese Website zu besuchen, die Fakten über den Holocaust in 19 Sprachen anbietet.
TikTok, das aufgrund seines Schwerpunkts auf kurze Videos vor allem junge Menschen anspricht, fügt zusätzlich zur Suchfunktion eine Benachrichtigung am unteren Rand der einzelnen Beiträge ein, die sich durch Hashtags und Schlüsselwörter auf den Holocaust beziehen. Dies hat sich als besonders effektiv erwiesen. Nicht zuletzt aufgrund unserer organisatorischen Partnerschaft haben bisher mehr als eine Million Nutzer genaue historische Informationen über den Holocaust abgerufen, die einen wichtigen Kontext für die beunruhigenden Online-Inhalte bieten.
Wir werden weiterhin Alarm schlagen und gegen alle Formen von Hass vorgehen. Es liegt jedoch an uns allen, als Mitglieder einer friedenssuchenden, pluralistischen Gesellschaft, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zukunft für kommende Generationen zu sichern. Europa und vor allem Deutschland und Österreich können und sollten dabei eine Vorreiterrolle einnehmen.