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Der vorgetäuschte Fremde

Von Katharina Schmidt

Politik
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Warum viele Menschen ihr Recht auf eine Staatsbürgerschaft nicht ausüben.


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Wien. Österreich hat eines der risikoreichsten und teuersten Einbürgerungsverfahren in der EU. Das ist der nüchterne Befund des Migration Policy Index (Mipex), mit dem die Integrationspolitiken von zahlreichen Staaten miteinander verglichen werden. Dabei hätten 40 Prozent der in Österreich ansässigen Ausländer ein theoretisches Anrecht auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Oder, wie es Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration im Innenministerium, ausdrückt: Die Zahl an Fremden wird statistisch vorgetäuscht. Das ist auch ein demokratiepolitisches Problem, denn zwölf Prozent der in Österreich lebenden Menschen haben kein Wahlrecht.

Der Hintergrund: Tatsächlich, das gibt auch Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz zu, wurden die Einbürgerungsbestimmungen nach einer sehr "lockeren" Phase in den 1990er Jahren seit Schwarz-Blau immer weiter verschärft - neben Kriterien wie dem zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich, davon mindestens fünf Jahre mit Niederlassungsbewilligung, Unbescholtenheit und Selbsterhaltungsfähigkeit wurden der Staatsbürgerschaftstest und immer bessere Deutschkenntnisse eingeführt. Auch mit der Neuregelung, die am Dienstag den Ministerrat passierte, wurden diese Kriterien nicht entschärft. Man hat nur zusätzlich die Möglichkeit eingeführt, nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Dafür müssen Deutschkenntnisse auf Matura- oder aber auf Mittelschulniveau gepaart mit einer "nachhaltigen persönlichen Integration" (etwa einem mindestens dreijährigen Engagement in einer gemeinnützigen Organisation) nachgewiesen werden. Zusätzlich wird die Selbsterhaltungsfähigkeit mit einem Monatseinkommen von 1000 Euro pro Person in drei von sechs Jahren definiert.

Kaum Interesse

Wie eine Sonderauswertung der Statistik Austria für die "Wiener Zeitung" ergab, sind von etwas mehr als eine Million Ausländern 40 Prozent länger als zehn Jahre in Österreich und damit schon nach den bestehenden Regeln eigentlich Kandidaten für eine Staatsbürgerschaft. Nun kann man davon ausgehen, dass EU-Bürger kein gesteigertes Interesse an einer Staatsbürgerschaft haben, da sie Inländern gleichgestellt sind. Es geht um Drittstaatsangehörige - Personen, die weder aus der EU, noch aus der Schweiz oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) stammen. 48 Prozent von ihnen sind länger als zehn Jahre in Österreich, 68 Prozent mehr als sechs Jahre.

Die Gründe für die niedrige Zahl an Staatsbürgerschaftsinteressenten sind laut Fassmann vielfältig. Einerseits sei der objektive Wert der Staatsbürgerschaft angesichts der verbesserten Rechtsstellung für Ausländer - sie sind zum Beispiel beim Zugang zu Gemeindebauten oder Sozialleistungen den Inländern mittlerweile nahezu gleichgestellt - gesunken. Dazu komme bei manchen die Vorstellung, dass man irgendwann wieder in die alte Heimat zurückkehren werde. Auch emotionale Fragen - "Bin ich dazu bereit, den Mitgliedsschein zur alten Heimat aufzugeben?" - spielten eine Rolle. Schließlich sei die Beantragung der Staatsbürgerschaft mit hohen Kosten verbunden: 1000 Euro machen alleine die Gebühren aus - pro Person.

Dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft auch an eine Einkommensgrenze geknüpft ist, was viele NGOs wie zum Beispiel das Integrationshaus massiv kritisieren, sieht Fassmann differenzierter. Es dürfe nicht sein, dass man Staatsbürgerschaften kaufen kann, aber genauso sei es das Recht eines jeden Staates, zu verlangen, dass sich seine neuen Bürger selbst erhalten können.

"Ius Sanguinis" überdenken

Die aktuelle Novelle ist für Fassmann definitiv "nicht das Ende der Fahnenstange, es muss permanent nachjustiert werden", sagt er. Etwa müsse man das "Ius Sanguinis" - also die Vererbung der Staatsbürgerschaft über Generationen hinweg, die vielleicht gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Herkunftsland der Vorfahren zu tun haben - überdenken. "Man kann sich überlegen, ob es einen Verlust der Staatsbürgerschaft geben soll, wenn die faktische Verbundenheit mit der alten Heimat nicht mehr existiert".