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Der vorletzte Bischof von Rom?

Von Heiner Boberski

Politik

Nur noch zwei Päpste wird es geben, wenn man der "Malachias-Prophezeiung" vertraut, die seit Jahrhunderten die Geschichte der Papst-Wahlen begleitet.


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"In der äußersten Verfolgung der Heiligen Römischen Kirche wird der Römer Petrus regieren. Er wird die Schafe unter vielen Bedrängnissen weiden. Dann wird die Siebenhügelstadt zerstört werden, und der furchtbare Richter wird sein Volk richten." Mit diesen Worten endet die so genannte Papstweissagung des heiligen Malachias. Sie charakterisiert mit 111 kurzen orakelartigen Sinnsprüchen - Vatizinien genannt - die Päpste ab Cölestin II. (1143-1144) und taucht bei jeder Papstwahl auf. Dass die Liste nur noch Hinweise auf zwei künftige Päpste enthält, verleiht diesem Text die besondere apokalyptische Note: Vor dem Römer Petrus ist nur noch von einem mit "Gloria olivae" (Ruhm des Ölbaums) umschriebenen Pontifikat die Rede.

Kaum noch jemand glaubt, dass die "Prophetia S. Malachiae archiepiscopi de summis pontificibus" wirklich vom 1148 verstorbenen Malachias, Erzbischof von Armagh in Irland, stammt. Der nach Italien verschlagene belgische Benediktiner Arnold Wion veröffentlichte sie 1595 in einem in Venedig gedruckten Buch über bedeutende Mitglieder seines Ordens. Der Verdacht liegt nahe, dass der größere Teil der Sprüche im Blick auf vergangene Pontifikate verfasst wurde, also keineswegs prophetischen Charakter hat. Hatte die "Malachias-Prophetie" das Ziel, einen bestimmten Kandidaten bei einem bevorstehenden Konklave massiv ins Spiel zu bringen? Und griff man auf Malachias zurück, weil ein über Jahrhunderte nachweisbares Zutreffen der Sprüche natürlich ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Zukunft erhöhte? Der deutsche Ordensmann Hildebrand Troll gab sich in einem Buch sicher, dass die ersten 71 Sprüche im Nachhinein geschrieben wurden, so eindeutig trafen sie auf die Personen zu. Troll vermutete im heiligen Philipp Neri (1515-1595) den Verfasser der in die damalige Zukunft weisenden Sprüche und schrieb ihm tatsächlich prophetische Fähigkeiten zu. Ob die Sprüche ab der Veröffentlichung das Wahlverhalten mancher Kardinäle beeinflussten, ist fraglich. Im Lauf der Zeit wurde "Malachias" kaum noch ernst genommen, bis sich wieder einzelne Devisen als verblüffend zutreffend erwiesen. Zu ihnen gehört "Peregrinus apostolicus" (Apostolischer Wanderer) für Pius VI. (1775-1799), der als bis dahin einziger Papst 1782 nach Wien und München reiste und später als Gefangener nach Florenz, Parma, Turin, Briancon und Grenoble kam. Zu ihnen zählt "De balneis Etruriae" (Von den Bädern Etruriens) für Gregor XVI. (1831-1846), den einzigen Papst aus dem Kamaldulenserorden, dessen Zentrum der etrurische Badeort Camaldoli war.

Malachias-Verteidiger wurden nicht müde, auch andere Devisen als zutreffend zu bezeichnen, etwa "Aquila rapax" (Räuberischer Adler) für Pius VII. (1800-1823), dessen Pontifikat der den Adler als Symbol führende Napoleon überschattete, oder "Religio depopulata" (Entvölkerte Religion) für Benedikt XV. (1914-1922), in dessen Amtszeit der Erste Weltkrieg und die russische Oktoberrevolution mit ihren Folgen fielen. Bei "Pastor angelicus" (Engelgleicher Hirte) für Pius XII. (1939-1958) scheiden sich die Geister, denn die einen idealisierten diesen Pontifex, andere, wie der Autor Rolf Hochhuth, der Pius in seinem Drama "Der Stellvertreter" sein öffentliches Schweigen zum Holocaust ankreidete, sahen ihn wesentlich kritischer.

Eine völlig einleuchtende Interpretation für die auf Johannes Paul II. bezogene Devise "De labore solis" (Von der Mühsal der Sonne) wurde noch nicht geliefert. Malachias-Gläubige denken dabei an eine Sonnenfinsternis.

Eine solche gab es in Afrika am Geburtstag Karol Wojtylas, am 18. Mai 1920, eine solche erregte im August 1999 in Mitteleuropa Aufsehen - TV-Bilder zeigten Johannes Paul II. bei der Beobachtung des Naturschauspiels - und eine solche gab es auch an seinem Begräbnistag, dem 8. April 2005, über Panama und dem Pazifik.

Das nächste und letzte Vatizinium, "Gloria olivae" (Ruhm des Ölbaums) deutet auf einen Friedenspapst hin, ließe sich aber wie manche andere Malachias-Sprüche auch nicht auf die Person des Papstes, sondern auf dessen Gegenspieler oder die Epoche beziehen. Die Malachias-Anhänger werden schon ihre Erklärung finden. So liegt es nicht fern, an das politische Ölbaum-Bündnis in Italien (Ulivo), das bisher bei Parlamentswahlen scheiterte, aber regional und kommunal bereits einige Erfolge feierte, zu denken.