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Der Wackelkandidat

Von Ronald Schönhuber

Politik

CSU-Chef Seehofer gerät vor Beginn der Jamaika-Verhandlungen immer stärker unter Druck. Teile der Partei drängen bereits auf einen "Neuanfang".


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München. Vor der Bundestagswahl hatte Horst Seehofer noch eine Menge Träume. Sein langjähriger Weggefährte Joachim Herrmann sollte als Innenminister nach Berlin gehen und mit dem auf diese Weise geschärften Profil später einmal die Nachfolge Seehofers an der Spitze der CSU antreten. Damit hätte Seehofer nicht nur seinen Wunschkandidaten installiert, sondern auch seinen ewigen Rivalen, Bayerns Finanzminister Markus Söder, verhindert. Und Seehofer selbst hätte sich nach der Befriedung des schwelenden parteiinternen Machtkampfs wohl ganz entspannt zurücklehnen können. Die letzte Amtsperiode als bayerischer Ministerpräsident nach der gewonnenen Landtagswahl im Herbst 2018 wäre für den 68-Jährigen wohl vor allem eine Wohlfühlveranstaltung gewesen.

Doch seit dem historisch schlechten Abschneiden der CSU, die bei der Bundestagswahl nur 38,8 Prozent der Stimmen in Bayern bekam, sind nicht nur all diese Träume Makulatur. Seehofer selbst ist zum Wackelkandidaten geworden. Kaum ein Tag vergeht noch, ohne dass nicht irgendjemand aus dem Söder-Lager gegen den Parteivorsitzenden mobil macht. Dabei ist nicht nur inhaltliche Kritik am derzeitigen Kurs zu hören, wie etwa, dass im unlängst erzielten Flüchtlingskompromiss mit der CDU das Wort "Obergrenze" wieder nicht explizit vorkommt. Vor allem aus der Münchner CSU kommen auch immer wieder unverhohlene Aufforderungen zum Rücktritt.

Wie sehr der Partei-Chef mittlerweile unter Druck geraten ist, hat sich zuletzt auch am Montag gezeigt. So soll Seehofer seine Partei laut einem Bericht des Nachrichtenportals "Spiegel Online" eindringlich darum ersucht haben, die Debatte um seine politische Zukunft auf die Zeit nach den Gesprächen über die Bildung einer Jamaika-Koalition zu vertagen. "Ich kann nur bitten", soll Seehofer, der eine Schwächung seiner Position bei den Verhandlungen in Berlin fürchtet, laut Teilnehmern bei der CSU-Vorstandssitzung gesagt haben.

Die Konfrontation mit dem Söder-Lager wird sich aber spätestens beim CSU-Parteitag Mitte November in Nürnberg nicht mehr vermeiden lassen. Dass die Anhänger des bayerischen Finanzminister sich durchsetzen können und Seehofer, wenn schon nicht als Parteichef, dann zumindest als Spitzenkandidat für die Landtagswahl zurücktritt, ist aber dennoch alles andere als gewiss. Denn auch wenn der ehemalige starke Mann aus Bayern angeschlagen ist, hat er noch den einen oder anderen Trumpf in der Hand. Anders als Seehofer, der sich seit 25 Jahren auch auf dem höchsten politischen Parkett in Berlin bewegt, hat Söder so gut wie keine bundespolitische Erfahrung. Und Seehofer gilt bei vielen an der CSU-Basis noch immer als starker Verhandler, der bayerische Interessen auch gegenüber Kanzlerin Angela Merkel durchsetzen kann.

Doch selbst wenn Seehofer Söder noch einmal in die Schranken weisen kann, wird er wohl nicht als Sieger aus dem Parteitag herauskommen. So rechnet die "Süddeutsche Zeitung" damit, dass Seehofers Wahlergebnis so bescheiden ausfallen wird, dass es "als weiterer Beleg für seinen Abstieg" herhalten muss.