Der Politologe Fritz Plasser hat ab Juli 2000 als erster Nicht-Amerikaner eine Gastprofessur an der Graduate School for Political Management der George Washington University in der US-Hauptstadt | inne. Er zieht eine kritische Bilanz.
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"Das Gewicht der politischen Konsulenten steht in direktem Zusammenhang mit der organisatorischen Schwäche der Parteien. So paradox es klingen mag: gewinnt ein Konsulent eine Kampagne, führt dies
zu einer weiteren Schwächung der Parteistruktur", zieht Österreichs erster Experte für US-Politik, der Innsbrucker Politologe Fritz Plasser, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Resümée.
Plasser, der als erster Nicht-Amerikaner von Juli 2000 bis zum Frühjahr 2001 an der Graduate School for Political Management (GSPM) der George Washington University (GWU) eine Gastprofessur erhält,
kritisiert die nachhaltigen Versuche der Konsulenten, ihre Position weiter zu stärken.
"Der Wahl- und Lobbyingprozeß läuft in eine katastrophale Richtung. Geld wird immer wichtiger, die Lobbyingkosten verschlingen Unsummen und es geht immer mehr nur darum, diese zu beschaffen",
bilanziert Plasser eine kritische Entwicklung.
Parteien wieder aufwerten
"Die konfrontative Wettbewerbssituation zwischen parteiinternen und -externen Beratern hat sich in den 90er Jahren extrem entwickelt. Heute geht der Wahlprozeß an den Parteien vorbei. Deswegen
werden bereits Gegenmaßnahmen gesetzt: vor allem bei den Republikanern greift man bei der Betreuung von Kongreßkandidaten wieder mehr auf die · billigeren · hauseigenen Fachleute zurück, um die
Partei wieder aufzuwerten", hebt Plasser hervor.
Dennoch: Politische Berater aller Richtungen brauchen ein gutes Ausbildungs- und Lehrprogramm im Consulting-, Lobbying- und Campaigning-Bereich. "Da ist die GSPM weltweit einzigartig, es gibt nichts
Vergleichbares", freut sich Plasser auf seine neue Lehrtätigkeit in Washington, die das Resultat langjähriger enger Zusammenarbeit ist.
Globaler Politberater-Überblick
Er wird eine Vorlesung über die Globalisierung von politischem Marketing abhalten, ein Seminar zum Thema "Internationale Politikberatung" leiten und vor allem an einem Forschungsprojekt arbeiten,
in dem es um einen globalen Politberater-Überblick geht. Dafür wird er sich mit 30 bis 40 US-Konsulenten intensiv auseinandersetzen, die Erfahrung beim Transfer des US-Know-Hows in andere politische
Settings · wie Israel oder Russland · gesammelt haben.
"Fast 60 Prozent der Top-US-Konsulenten arbeiten außerhalb der USA, weil der amerikanische Markt durch zuviele Mitbewerber übersättigt ist", ergänzt Plasser. Für Europäer, so der Leiter der
unabhängigen Wiener Stiftung "Zentrum für angewandte Politikforschung", sei nicht vorstellbar, welch aggressive Offensiven rund um den Capitol Hill stattfinden oder wie die Instrumentalisierung der
Medieneliten abläuft.
Präsidentenwahlen beobachten
Von seinem US-Aufenthalt, während dem er auch die nächsten Präsidentenwahlen genau beobachten wird, erhofft er sich auch, daß "künftig mehr US-Studenten den Weg für ein Gastsemester nach
Österreich finden". Bisher haben vor allem seine Studenten den Weg an die renommierte · und teure · George Washington University gefunden.
Auch die Journalistin Verena Nowotny, zuletzt als Pressesprecherin von Wirtschaftsminister Hannes Fahrnleitner tätig, hat soeben zwei Gastsemester an der GSPM studiert: "Schwerpunkt ist die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Politik und Ethik anhand von praxisbezogenen Fallstudien".
Meist nutzen sogenannte "Mid-Career-Studenten" die Ausbildung, um ihre Karriere zu beschleunigen. So hat Nowotny beispielsweise gemeinsam mit einem Sprecher von Nelson Mandela die Studienbank
gedrückt.
"90 bis 95 Prozent der Vortragenden sind prominente Praktiker · wie Kabinettchefs von Senatoren oder Chefs großer Lobbying-Firmen · nur ein kleiner Stab von acht Fachleuten unterrichtet permanent an
der GSPM", ergänzt Plasser. Und abschließend: "Das erhöht natürlich enorm die Kontakt- und Netzwerkchancen der Absolventen".
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