Es ist zu befürchten, dass die Parteien im Parlament in den nächsten Monaten nicht unbedingt zum Wohle aller Bürger agieren werden.
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Österreich hat nun eine vorläufige, hoffentlich bis zur Regierungsbildung nach der Wahl im Amt bleibende Regierung. In den Applaus für den Bundespräsidenten ist jedenfalls einzustimmen, wenngleich noch nicht aller Tage Abend ist. Ein halbes Jahr ist ein plausibler Zeitraum, bis Österreich eine neue, definitive Bundesregierung auf Basis der kommenden Nationalratswahl erhält. Und das ist in der Innenpolitik ein langer Zeitraum. Rund die Hälfte davon wird - allen Beteuerungen der Parteien zum Trotz - eine Periode des permanenten Wahlkampfes sein und nicht des gemeinsamen, friedvollen Administrierens in gegenseitiger Wertschätzung.
Die Entkoppelung zwischen (Experten-)Regierung einerseits und Parteisekretariaten beziehungsweise Nationalratsfraktionen andererseits ist programmiert, die Musi geigt in den beiden letztgenannten Gremien. Sie werden im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und medialen Berichterstattung stehen. Die Regierungsmitglieder werden im Hintergrund agieren. Bei jeder Wortmeldung im Parlament und jeder Äußerung von hohen Parteifunktionären in der sonstigen Öffentlichkeit wird auf den erhofften Eindruck auf die Wählerschaft geschielt werden. Etwaige Gesetzesbeschlüsse werden der einfachen Wahllogik folgen: Wie kommt eine Zustimmung oder Ablehnung durch eine Partei bei ihrer Wählerschaft an? Der Bürger muss sich vor vermeintlichen Win-win-win-Situationen für mehrere Parlamentsfraktionen fürchten: Sie kommen ihn teuer. Nicht umsonst hat eine Gruppe maßgeblicher österreichischer Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Wissenschaft einen diesbezüglichen Aufruf an die Politik veröffentlicht.
Den Bürgern muss bewusst sein, dass zwar die Übergangsregierung dem Wunsch des Bundespräsidenten folgen und keine substanziellen Gesetzesvorlagen an das Parlament schicken wird; der Eigeninitiative des Parlaments jedoch kann der Bundespräsident außer einer Verzögerungstaktik wenig entgegensetzen, er hat das rechtmäßige Zustandekommen eines Gesetzes festzustellen.
Erschwerend kommt hinzu, dass wir gegenwärtig eine Hysterisierung der Klimafrage erleben, gegen die die Politik hilflos erscheint, hat sie doch Angst, bei den nun stärker politisierten Jungwählern nicht punkten zu können. Angeheizt wird diese Tendenz durch die Gewinne der Grünen bei den EU-Wahlen in mehreren europäischen Ländern. In Österreich kommt noch hinzu, dass die Grünen dieses Thema massiv hochziehen werden, um wieder in den Nationalrat einzuziehen. Und das Arsenal an potenziellen Grauslichkeiten im Bereich Umweltpolitik ist reichhaltig.
Wie die politische und ökonomische Bilanz der transitorischen Regierungszeit aussehen wird, hängt entscheidend vom Verhalten der Medien und des (Wahl-)Volkes ab. Diese müssen konsequent darauf achten, sich nicht als Unterstützer für die kurzfristige Umsetzung politischer Projekte und Entscheidungen missbrauchen zu lassen, die grundsätzlich einer zukünftigen, aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen politischen Mehrheit vorbehalten bleiben sollten.