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"Der Wahlkampf wird dreckig"

Von Solmaz Khorsand und Bernd Vasari

Politik

Eine rot-blaue Koalition à la Burgenland hält die Wiener SPÖ für ausgeschlossen. Zu verhärtet ist die Front gegen den blauen Erzfeind.


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Wien. Protestphase I wurde Freitagvormittag medienwirksam eingeläutet. Mit Transparenten pilgerte die SPÖ-Jugend zur Bundesparteizentrale in die Löwelstraße 18, um zu zeigen, was sie von der rot-blauen Koalition im Burgenland hält. "Kein gelungenes Experiment - Verrat" war da auf einem Transparent entlang der Hausfassade zu lesen. Die Botschaft gilt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und FPÖ in seinem Heimatbundesland als gelungenes Experiment begrüßte. "Das ist untragbar", sagt Marcus Gremel, Vorsitzender der Jungen Generation in der SPÖ Wien: "Ein Bundesgeschäftsführer ist verpflichtet, sich an die Parteibeschlüsse zu halten." Und dieser sei ganz klar: kein Pakt mit der FPÖ. "Das ist eine Katastrophe. Das ist ein ganz klarer Bruch mit unseren Grundwerten", kommentiert Gremel die aktuellen Entwicklungen.

Der Schock über die rot-blaue Koalition im Burgenland sitzt auch bei den Genossen in Wien tief. Bürgermeister Michael Häupl hat bereits angekündet, dass diese Konstellation für Wien unmöglich sei, Finanzstadträtin Renate Brauner lässt aus der Mongolei ausrichten, dass sie entsetzt sei, und Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler spricht immer wieder von Tabubruch. Die Verantwortung für Rot-Blau liege im Burgenland. Die Wiener SPÖ sei aber nicht "die Gouvernante der anderen Landesparteien". Jetzt ist man sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht: Das Burgenland sei nicht Wien, die unheilige Allianz für die Hauptstadt undenkbar. Auch bei der Basis glaubt man fest an die rote Resistenz gegenüber den blauen Sirenenrufen. "In Wien ist die FPÖ der absolute Feind", sagt Gremel, "und die SPÖ Wien ist ein Bollwerk gegen diese Hetzpolitik."

Die Grünen sindauch nicht besser

Für die kommende Wien-Wahl am 11. Oktober werde der Wähler durchaus differenzieren können zwischen einer burgenländischen SPÖ, die mit der FPÖ eine Koalition gebildet hat, und einer Wiener SPÖ, die das "ganz sicher" nicht tun wird", glaubt Rudi Schicker, Klubobmann der Wiener SPÖ. Um die Unterschiede zwischen Häupl und SPÖ-Burgenland-Chef Hans Niessl zu unterstreichen, sagt Schicker: "Das Einzige, was Michael Häupl mit Hans Niessl verbindet, ist die Anhängerschaft zum Fußballklub Austria."

Dass die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im Interview mit der "Wiener Zeitung" ein Haltungsproblem in der SPÖ sieht und davor warnt, dass die Wiener SPÖ ebenso eine Koalition mit der FPÖ eingehen könnte, weist Schicker zurück. Es seien die Grünen, die etwa in Wiener Neustadt und Neunkirchen eine Koalition mit der FPÖ eingegangen sind. Und in Wien haben sie mit der FPÖ einen Notariatsakt - für ein minderheitenfreundlicheres Wahlrecht - unterschrieben. "Die Grünen brauchen sich daher nicht aufregen. Sie sollen nicht versuchen, das unter den Teppich zu kehren. Für all jene Wähler, die gegen FPÖ wählen wollen, sind die Grünen ganz sicher keine Alternative."

Der ehemalige Kommunikationschef und Geschäftsführer der SPÖ, Josef Kalina, ist pragmatisch. Er spricht sich gegen die "Niemals mit dieser FPÖ"-Doktrin der SPÖ aus: "Ich bin ein Skeptiker der Selbstfesselung. Das ist ja keine vernünftige Politik. Dadurch wird man erpressbar und die ÖVP nützt das natürlich aus. Die SPÖ sollte auch mit der FPÖ verhandeln." Wenn Niessl keine Koalition mit der FPÖ geschlossen hätte, dann wäre er heute nicht mehr Landeshauptmann des Burgenlands, ist sich Kalina sicher. In der Steiermark, wo man sich genauso wie in Wien gegen Gespräche mit den Blauen ausgesprochen hat, werde man nun sehen, wie man verhandelt, wenn man sich selbst gefesselt hat, meint Kalina.

Für die Wiener SPÖ stellt sich die Frage einer Koalition mit der FPÖ hingegen nicht. Hier würde man alles dafür tun, um die Blauen von der Macht fernzuhalten, auch wenn das bedeuten würde, eine Mehrheit mit der ÖVP und den Grünen zu suchen.

Die Debatte über die rot-blaue Koalition im Burgenland sei aber auf jeden Fall positiv für die Wiener SPÖ und FPÖ, meint PR-Experte Kalina. Dadurch haben die beiden Parteien eine Aufmerksamkeit erhalten, die sich die Wiener ÖVP, Grüne und Neos nur wünschen könnten. Für die drei kleinsten Parteien werde es auch im weiteren Wahlkampf sehr schwierig werden, von der Rolle des Beiwagerls wegzukommen.

Um nicht das gleiche Schicksal der SPÖ in der Steiermark (minus 8,97 Prozent) und im Burgenland (minus 6,34 Prozent) zu erfahren, müsse die Wiener SPÖ rund um Häupl nun ihre Vorstellungen für die Zukunft präsentieren. Kalina sieht hier noch Aufholbedarf: "Da ist für die Macher des Wahlkampfs noch viel Energie aufzuwenden. Es gibt hier noch einen Zuspitzungsbedarf."

Die Wiener SPÖ habe zwar viel herzuzeigen, aber Dankbarkeit sei keine politische Kategorie. Die beiden Wahlen im Burgenland und in der Steiermark werden bis Oktober vergessen sein, prognostiziert Kalina.

So lange will die junge SPÖ nicht warten. Zu viel steht auf dem Spiel. Für sie ist längst Protestphase II angebrochen. Es gilt Ressourcen zu sammeln gegen den blauen Erzfeind. Ein zweites Burgenland muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Eine junge Genossin bringt es am Freitagvormittag vor der Löwelstraße auf den Punkt: "Dieser Wahlkampf wird dreckig werden." Das klingt nicht nach einer Drohung - sondern nach einem Versprechen.