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Der wahre Querulant

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Peter Pilz und die Grünen.


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Linz könnte zum grünen "Knittelfeld" werden - ein Parteikongress der Spaltung, wie ihn die Freiheitlichen damals in der Steiermark erlebt haben. Der Linzer Abgang von Peter Pilz zeigte zweierlei. Zum einen - so sympathisch Basisdemokratie sein mag, sie hat auch ihre Fallstricke. Einer davon ist der basisdemokratische Fetisch: Alle sollen gleichberechtigt sein heißt auch, keiner soll herausragen.

In der Psychoanalyse ist ein Fetisch ein Penisersatz, um die unerträgliche Wahrheit der penislosen, "kastrierten" Mutter abzuwehren. In der Basisdemokratie ist es genau umgekehrt. Um den Glauben an die Basis zu erhalten, müssen jene, die (wodurch auch immer - durch Kompetenz oder Bekanntheit) herausragen, geköpft, "kastriert" werden. Hier dient die Kastration dazu, den Glauben der Basisdemokratie an sich selbst zu erhalten.

Zum anderen aber zeigte auch ein anderes grünes Prinzip in Linz seine Widersprüche. Dass keiner einen sicheren Listenplatz hat, ist ein ehrenwertes, demokratisches Prinzip. Es soll sicherstellen: Keiner hat Anspruch auf einen fixen Listenplatz. Keiner kann darauf zählen. Jeder muss sich diesen Platz immer wieder erkämpfen. Jeder soll also immer wieder um sein Leiberl rennen müssen. Es war dies ursprünglich der Versuch, Stillstand und Privilegien - all das, was damals die etablierten Parteien repräsentierten - zu verhindern. Es war dies der Versuch, Neuerung gegen Stillstand in Stellung zu bringen. Mehr noch: Es war auch der Versuch, Neuerung strukturell auf Dauer zu stellen. Ein paradoxer Versuch. Ein Versuch, der nun an seinen eigenen Widersprüchen gescheitert ist. Denn wenn die Abwahl von Peter Pilz (egal, ob oder von wem provoziert, egal wie die Befindlichkeiten da gelaufen sein mögen) etwas gezeigt hat, dann eines: Es ist keineswegs klar, was Neuerung im Politischen bedeutet.

Denn Neuerung heißt nicht einfach Wechsel. Neuerung ist auch nicht einfach biologisch bestimmbar: Junge Leute, die an die Stelle von Älteren treten, garantieren noch keinen Aufbruch. Wir können nun bei den Grünen beobachten, wie ein Generationenwechsel keineswegs als Aufbruch gesehen wird. Da können sich die Grünen noch so sehr bemühen: Das Zulassen der Jungen kommt nicht als Erneuerung an.

Pilz’ Eigendefinition als "engagiertes grünes Nachwuchstalent" überzeugt da viel mehr. Eben weil Pilz etwas will. Weil es ihn drängt. Weil er für etwas kämpft. Das macht das politische Alter aus. Nicht die Biologie.

Und Pilz ist es, der - man mag seine Positionen im Einzelnen nun teilen oder nicht - den Finger auf die drängenden gesellschaftlichen Probleme legt. Etwas, was nicht gerade zu den herausragenden grünen Fähigkeiten zählt.

Ob man vom Zuspruch in den Social Media schon auf eine beginnende Bürgerbewegung schließen kann, wie Pilz meinte, sei dahingestellt. Aber eines ist klar: Man kann Unangepasstheit, Unbequem-Sein, kritischen Geist nicht institutionalisieren. Denn der Querulant ist nicht jener, der an einem vorgegebenen Platz, wo man ihn hinstellt, keppelt. Der wahre Querulant - ein Adelsprädikat - ist jener, der sich den Platz für seinen Einspruch selber nimmt. Ob das nun eine Liste ist oder nicht.