Der Klimaexperte Stefan Schleicher über den US-Ausstieg aus dem Pariser Abkommen und warum es dennoch Hoffnung gibt.
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Es war ein Auftritt, der in vielerlei Hinsicht an seinen ersten Tag als US-Präsident erinnerte. Wie bei seiner Vereidigung vor viereinhalb Monaten hielt Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses eine Brandrede, bei der er nicht nur den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündete, sondern auch auf Konfrontationskurs zum Rest der Welt ging. Der als Meilenstein geltende Vertrag wurde als unfair gegeißelt; andere Länder würden sich damit nur auf Kosten der USA bereichern. Trump will nun das Klimaabkommen nachverhandeln, um einen "besseren Deal" zu erreichen, doch Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien haben bereits abgewinkt. Für die nächsten Jahre wird der internationale Klimaschutzprozess daher ohne Beteiligung des zweitgrößten Klimasünders ablaufen. Laut dem Klimaexperten Stefan Schleicher gibt es aber dennoch ermutigende Anzeichen.
"Wiener Zeitung": Was bedeutet der Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen unmittelbar?Stefan Schleicher: Das bedeutet zunächst einmal einen schweren Imageverlust für US-Präsident Donald Trump selbst. Doch auch der gesamte Prozess rund um die Pariser Vereinbarung dürfte an Reputation verlieren, weil der zweitgrößte Player dort einfach keine Rolle mehr spielt. Ich bin aber der Meinung, dass Trump mit seiner zweifellos zerstörerischen Absicht keinen Erfolg haben wird. Wir haben ja bereits 2005 eine ähnliche Erfahrung mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush gemacht. Fast mit der gleichen Geschwindigkeit wie nun beim Pariser Abkommen wurde damals das kurz zuvor in Kraft getretene Kyoto-Protokoll von der US-Regierung wieder eliminiert. Das Kyoto-Protokoll, das sicherlich auch seine Mängel hat, existiert allerdings bis heute; und die verbliebenen Länder haben auch ihre Emissionsziele erreicht.
Woher rührt Ihre Zuversicht hier?
Es zeigt sich sehr deutlich, dass es einen radikalen Wandel bei den Technologien für erneuerbare Energien gibt; und das lässt sich auch nicht mehr aufhalten. Photovoltaik ist heute etwa die attraktivste Form von Elektrizität in den allerärmsten Ländern, alles anderer ist inzwischen teurer. Auch die Windkraft hat sich extrem gut entwickelt, was die Kostensituation anbelangt. Die größte Überraschung hat es aber bei den elektrischen Speichern gegeben. Vor vier Jahren hat man bei Großbatterien pro Kilowattstunde Speicherleistung noch 600 Dollar zahlen müssen, heute bekommt man das schon um 200 Dollar. Und im nächsten Jahr werden es nur noch 150 Dollar sein. Damit werden Elektrofahrzeuge natürlich sehr verlockend. Ich gehe davon aus, dass diese Autos in fünf Jahren im Vergleich zu konventionellen Antrieben voll konkurrenzfähig sein werden. Und dank dieser neuen Batterien beginnen sich die elektrischen Netze bereits jetzt neu zu strukturieren. Wir sehen den Abschied von großen Kraftwerken - egal ob sie nun Kohle, Öl oder Gas als Basis haben - hin zu immer kleineren Einheiten. Der nächste große Bereich sind Gebäude, wo wir gerade in Österreich demonstrieren, dass sich ein Haus energiemäßig weitgehend selbst versorgt, und zwar ohne höhere Kosten. All diese Entwicklungen sind auch in den USA schon deutlich zu sehen.
Welche Möglichkeiten haben nun Bundesstaaten und Städte in den USA? Kalifornien etwa fährt ja schon seit Jahren einen sehr umfangreichen Klimaschutzkurs.
Ebenso wie bei uns gilt auch für die USA, dass die großen Chancen eigentlich auf den unteren Ebenen liegen, weil dort die relevanten Entscheidungen fallen. Und gerade in den USA darf man die Rolle des Bundes nicht überschätzen. Derzeit bilden sich neue Koalitionen sowohl bei den Bundesstaaten wie auch bei den großen Städten. Die Bürgermeister dort sehen einfach viele gute Gründe, um das Energiesystem neu zu gestalten, und das wird einfach geschehen. In seiner Rede hat Trump ja etwa erklärt, er vertrete nicht Paris, sondern Pittsburgh. Der Bürgermeister von Pittsburgh hat sich allerdings unmittelbar darauf zu Wort gemeldet und betont, dass seine Stadt sehr wohl den Richtlinien des Pariser Abkommens folgen werde.
Mit den USA geht dem internationalen Klimaschutzprozess aber auch ein starker Zahler verloren.
Das ist mit Sicherheit der stärkste Effekt. Wirklich getroffen sind in nächster Zeit all die Vorgänge der internationalen Klimapolitik, wo es um Finanzierungen geht, etwa Fonds, die speziell für die allerärmsten Länder der Welt eingerichtet wurden, um Technologietransfers oder Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu unterstützen. Und natürlich ist auch das große Versprechen betroffen, ab 2020 pro Jahr hundert Milliarden US-Dollar in den Green Climate Fund einzuzahlen. Denn der wird ohne die USA natürlich nie dieses Volumen erreichen.
Wenn die USA weiterhin stark auf Öl, Gas und Kohle setzten, bedeutet das auch, dass sie billiger produzieren und tanken können. Alle Staaten haben sich nun zwar demonstrativ zum Pariser Abkommen bekannt, aber besteht nicht die Gefahr, dass viele Länder auch ihre Klimaschutzbestrebungen zurückfahren, um diesen Wettbewerbsvorteil der USA zu kompensieren?
Die Energiepreise sind in den USA im Vergleich zu Europa einfach historisch niedriger. In Europa haben wir dafür im Gegenzug bereits gelernt, viel sorgfältiger mit Energie umzugehen. Ich kann mir daher auch nur schwer vorstellen, dass sich für die USA durch diesen Ausstieg wettbewerbsmäßig etwas ändert. Trumps Ankündigung, dass die Kohle wieder ins Geschäft kommt, ist nicht realisierbar, da Gas schon jetzt viel billiger ist. In einer der traditionellen US-Kohleregionen errichtet derzeit etwa eine chinesische Firma einen Windpark und schult nun die ehemaligen Kumpel zu Windfarmern um.
Wie kann die restliche Welt auf Trumps Entscheidung reagieren?
Ich selbst bin auf europäischer Ebene ziemlich intensiv mit dem Thema Klima und Energie beschäftigt. Und dort war in den vergangenen Jahren unübersehbar, dass es immer weniger Konsensbereitschaft gibt. Durch Trumps Aktivitäten wird der Wille zur Zusammenarbeit meiner Meinung nach aber wieder deutlich steigen. Zugleich könnte all das zu einer ganz neuen Koalition der EU mit China führen. Beide Seiten haben ja schon angeboten, hier viel enger zu kooperieren. Schon jetzt ist China führend bei allen erneuerbaren Energieformen, sowohl was die Installation im Land selbst betrifft als auch als globaler Produzent.
Zur Person
Stefan
Schleicher
ist Professor
am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel und am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität.