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Erfolg und Wohlstand kommen nicht von allein. Dazu bedarf es in unserer wissenszentrierten Welt besonderer Leistungsträger. Diese wiederum fördert man - oder eben auch nicht. Die Folgen sind in jedem Fall gravierend. Die Rede ist von den Eliten. Darüber diskutierten am Mittwochabend im Rahmen des 5. Trialog von "Wiener Zeitung", Management Club und GPK Günther Schmid, Direktor der Sir-Karl-Popper-Schule, Werner Lanthaler Finanzvorstand der Biotech-Firma Intercell sowie Michael Landertshammer, Abteilungsleiter für Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich.
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"Vielen Dank, Gerhard Schröder, für die Bewerbung unseres Themas." Mit diesen Worten eröffnete Moderator Markus Gruber, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur GPK, die Diskussion. Tatsächlich hat das geradezu überschwängliche Bekenntnis des SPD-Kanzlers zur Leistungselite eine Debatte angestoßen, die auch Österreich erfasste.
Das Schröder'sche Bekenntnis kann dabei getrost auch als endgültige Abkehr von einem Bildungsideal verstanden werden, das sein Ziel in einem übersteigertem Egalitarismus sah. Diese Zeiten sind heute passé. Dazu bedurfte es jedoch erst zweier Voraussetzungen: Wettbewerb macht heute weder vor Produktionsstandorten noch Bildungssystemen Halt. Allein im letzten Jahr haben rund 40.000 Forscher Europa in Richtung Amerika und Asien verlassen. Und: Der Begriff "Elite" selbst unterzog sich einer grundsätzlichen Wandlung. Name und Geld allein reichen heute nicht mehr aus, um sich mit diesem Prädikat schmücken zu können, vielmehr steht die persönliche Leistung im Vordergrund.
Dieser Verbindung von Elite mit Leistung konnte sich auch Günther Schmid anschließen, allerdings mit einer Einschränkung: Der Direktor von Österreichs einziger Schule für Hochbegabte kann und will die Leistungsträger nicht aus ihrer Verantwortung für die Gesellschaft entlassen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Wort der ehemaligen deutschen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, die den Begriff der "Verantwortungselite" geprägt hat. "Am Anfang steht die Begabung - und die steckt in jedem Kind. Erst am Ende kommt vielleicht die Elite heraus", macht Schmid deutlich, dass der Begriff offener gehandhabt werden sollte, als dies gemeinhin der Fall ist.
Weniger aus Pädagogensicht als vielmehr aus der Perspektive eines Unternehmens, das mitten im vielzitierten "war for talents" steht, beurteilte Intercell-Finanzvorstand Lanthaler den allgegenwärtigen Ruf nach Elitenbildung. An deren Notwendigkeit zweifelt er nicht: "Es ist eine zu romantische Vorstellung, dass wir gleichmäßig in alle investieren können, ohne zu fokussieren", verweist er auf den Druck zur Schwerpunktbildung auch im Bildungswesen. Österreich verfüge zweifellos über ein hervorragendes Berufsbildungssystem, es fehle jedoch gerade im Forschungsbereich an Spitzenkräften: "Wir sind bei den Schwächsten die Besten und bei den Stärksten die Schwächsten", bringt Lanthaler unser Dilemma auf den Punkt.
Skepsis überkommt ihn, wenn er sich die Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Reformen betrachtet. Gerade im Bildungsbereich erscheint ihm, der selbst drei Jahre an der US-Elite-Universität Harvard studierte, die österreich-typische Orientierung am großen nördlichen Nachbarn fatal: "Wir freuen uns, dass es den Deutschen noch schlechter geht, erinnern uns an Cordoba und sagen: Danke und Hurra!" Unbeantwortet bleibe jedoch die Frage, ob das eigene Reformtempo ausreicht, schließlich sei der Wettbewerb um die besten Köpfe in Wirtschaft und Forschung längst Wirklichkeit. Aber: "Bei uns wirbt keine Universität um die Maturanten mit "ausgezeichnetem Erfolg'", zieht Lanthaler einen Vergleich mit den USA.
Wettbewerb und Autonomie als Schlüssel zum Erfolg
Die beiden Schlüssel zum Erfolg, darin waren sich alle einig, heißen Wettbewerb und Autonomie. Für Landertshammer verstehen es Österreichs Bildungspolitiker hervorragend, an den wirklich entscheidenden Fragestellungen vorbeizureden und stattdessen ideologische Scheindebatten zu führen. "Es geht nicht darum, ob man mit einem oder zwei 'Nicht Genügend' im Zeugnis aufsteigen darf oder ob die Ganztagsschule das Allheilmittel ist", zeigt er sich überzeugt. Entscheidend sei vielmehr, wie autonom die Schulen über ihre Budgets oder Lehrer entscheiden können.
Untrennbar mit der Autonomie müsse jedoch auch der Wettbewerb zwischen den Schulen und Universitäten um Schüler und Studenten verstärkt werden. Finnland etwa, von heimischen Bildungspolitikern gern und oft als Vorbild zitiert, führt eine jährliche Evaluation seiner Schulen durch. Österreich scheitert jedoch sogar daran, wie Lanthaler anmerkt, Eltern die Wahl zwischen "der Volksschule in Gmunden oder in Amstetten" zu ermöglichen.
Allein schon beim Begriff "Evaluation" beginnen aber beim verbeamteten Bildungsapparat reflexartige Abwehrreaktionen einzusetzen. Dabei ist der kritische Vergleich mit anderen entscheidend für die weitere Entwicklung der eigenen Fähigkeiten. "Ohne permanente Evaluation von innen und außen kann es nicht weitergehen", betont Schmid. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass man sich mit einer solchen Forderung bei der Schulbürokratie nicht beliebt macht.
Alles eine Frage des Geldes?
An den Kosten scheitern in der Regel die schönsten Reformprojekte. Gilt dies auch für das Ziel einer Elitenbildung in Österreich? Nicht unbedingt findet Schuldirektor Schmid. Zumindest was die direkten Kosten betrifft, kann er keinen zusätzlichen Bedarf an Finanzmitteln erkennen. Ein Mehr an Autonomie - nicht zuletzt in personeller Hinsicht - ist für ihn hier entscheidend. Teuer komme jedoch die notwendige Evaluation, wie Schmid aus eigener Erfahrung weiß, ist doch die Popper-Schule gleich dreifach diesem Prozedere unterworfen. Und während Landertshammer darauf verweist, dass Österreich zwar das teuerste Schulsystem aber bei weitem nicht das beste habe, befürchtet Lanthaler, dass das Land seine Stärken ohne zusätzliche Mittel nicht halten wird können.
Noch wichtiger als die ewige Frage nach mehr Geld erscheint Landertshammer jedoch ein politischer Paradigmenwechsel: Bildungspolitik erfordere mittel- und langfristige Perspektiven - "hier muss man endlich über den nächsten Wahltermin hinausdenken". Auch für den Fall, dass dies nicht geschieht, hat er ein Szenario parat, das bereits bald Realität wird: Schon 2005 soll die Privatuni der Wirtschaftskammer ihre Pforten öffnen.
Und was kann die Wirtschaft tun? "Zuvorderst sich selbst intelligenter überlegen, was und wen sie wirklich braucht", erinnert Lanthaler an die diversen Prognosen über den zukünftigen Bedarf an IT-Fachkräften, der noch vor vier Jahren in die Hunderttausende ging. Wer jedoch heute auf den Arbeitsmarkt kommt, sieht eine andere Realität.
Natürlich, und auch das wurde bei der Diskussion betont, verfügt Österreich über ein hervorragendes Bildungssystem in Sachen Allgemeinbildung. Wie kann man aber Spitzenkräfte motivieren, nach Österreich zu kommen bzw. hier zu bleiben? Bei einem Spitzensteuersatz von annähernd 50 Prozent scheitern wohl auch die geschicktesten Überredungskünstler. Bleiben also nur zwei Alternativen, wie Lanthaler anmerkt: Entweder man lockt Spitzenforscher mit Steuerzuckerln - bei Spitzensportlern geschieht dies ja bereits -, oder man verlagert die Argumente auf eine weniger fachliche Ebene. Schließlich ist Österreich "sooooooo schön".