24. Oktober 1929: Kursabsturz an New Yorker Börse löst die Krise aus. | Bankensterben und Konjunkturtal als Folgen. | Wien/New York. Als Auslöser der großen Weltwirtschaftskrise gilt der "Schwarze Freitag" an der New Yorker Börse. Der Kurssturz war anfangs begleitet von beruhigenden Worten: Ein Spekulationskrach sei das, der sich wie ein reinigendes Gewitter verziehen würde, sagten Ökonomen. US-Präsident Herbert Hoover sagte noch im Mai 1930, die USA hätten das Ärgste überwunden.
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Das Österreichische Institut für Konjunkturforschung, Vorläufer des Wirtschaftsforschungsinstitutes, sprach 1930 von einer "Fortdauer der Depression", allerdings "mit aufwärts gerichteter Tendenz". Und der später so einflussreiche Nationalökonom John Maynard Keynes spöttelte über einen "argen Anfall von wirtschaftlichem Pessimismus", nicht mehr sei der Börsenkrach. Tatsächlich war der "Schwarze Freitag" Auslöser einer nie dagewesenen und bis heute nicht mehr eingetretenen wirtschaftlichen Katastrophe, die - wenn auch auf Umwegen - in den Zweiten Weltkrieg mündete.
Dem "Schwarzen Freitag" war an der Wall Street eine großteils kreditfinanzierte Spekulationsblase vorausgegangen, die noch dazu kaum von einem realen Wirtschaftswachstum gestützt war. Die Folge war an den Finanzmärkten ein akuter Liquiditätsmangel, der zu einem Bankensterben in den USA und später auch in Europa, besonders in Deutschland führen sollte.
Ein Brennpunkt der europäischen Bankenkrise war die Österreichische Creditanstalt, ein in ganz Mitteleuropa wohlverankertes Institut. Kurzfristige Kredite wurden abgezogen, es wurde gemunkelt, Frankreich habe so eine geplante deutsch-österreichische Zollunion torpedieren wollen. Die Creditanstalt wurde zwar 1931 von der Regierung aufgefangen, trotzdem: Ein rapider Gold- und Devisenabfluss aus Österreich war die Folge, berichtet der Wirtschaftsforscher Felix Butschek. Der Schillingkurs sackte um 20 Prozent ab.
In Deutschland führte die Bankenkrise zu einem Run auf die Spareinlagen, der Wahlsieg der Nationalsozialisten 1932 führte zu einer weiteren Kapitalflucht.
Ursachen lagen vor dem "Schwarzen Freitag"
Die österreichischen Wirtschaftshistoriker Herbert Matis und Dieter Stiefel sehen die Ursachen allerdings schon vor dem "Schwarzen Freitag". Zum Beispiel in den - von Keynes heftig bekämpften - Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges, die zwischen den europäischen Ländern eine ständige Quelle politischen und wirtschaftlichen Misstrauens waren.
So entstand ein groteskes Milliardenkarussell zwischen Deutschland, den Empfängerländern Frankreich und Großbritannien sowie den USA, die ihrerseits Deutschland Geld borgten, damit dieses seine Reparationen leisten konnte. Frankreich und Großbritannien reichten einen Teil dieses Geldes wegen alter Kriegsschulden den Amerikanern weiter. Ein international stabiler Kapitalmarkt konnte sich so kaum bilden.
Oder die Landwirtschaftskrise: Überschüsse nach den Hungerjahren nach dem Ersten Weltkrieg hatten das Handels- und Finanzgefüge schwer belastet.
Für die Industrie wurden Zollschranken errichtet, um sie in Zeiten sinkender Nachfrage gegen Importe zu schützen und auch, um die Zahlungsbilanz zu entlasten. Ein Schuss ins Knie: Die Inlandsnachfrage war zu schwach, um Produktion und Beschäftigung aufrecht zu erhalten, jeder Versuch einer Exportkonjunktur wurde so im Keim erstickt.
Für Österreich nennt der Wirtschaftsforscher Felix Butschek erschreckende Zahlen: Zwischen 1929 und 1933 sank das Brutto-Nationalprodukt um 22 Prozent, die Industrieproduktion um 38 Prozent, die besonders beschäftigungsintensive Bauwirtschaft sogar um 53 Prozent. Entsprechend explodierte die Arbeitslosigkeit von 9 auf 26 Prozent.
Staatliche Konjunkturprogramme wurden nur zögernd auf die Beine gestellt. Staatsschulden galten als verwerflicher Griff nach der Notenpresse, den Wirtschaftspolitikern und Ökonomen saß noch der Schrecken der Hyperinflation vom Anfang der Zwanzigerjahre in den Knochen. Nur Extremisten forderten mehr: Faschisten und Kommunisten.
Erst Roosevelts "New Deal" - dann der Rüstungswettlauf
In den USA ließ zwar der republikanische Präsident Herbert C. Hoover einen Staudamm nach sich benennen. Erst sein demokratischer Nachfolger Franklin D. Roosevelt stampfte aber die Tennessee Valley Authority mit 20 Staudämmen aus dem Boden. Ein Teil des legendären "New Deal": 122.000 öffentliche Gebäude wurden errichtet, 77.000 Brücken. Kinderarbeit wurde verboten, Mindestlöhne ebenso einführt wie eine Arbeitslosenversicherung und ein progressives Steuersystem. Und für die Börsen ein staatliches Überwachungssystem. Aus Budgetgründen wurde dieser "New Deal" aber bereits 1937 gebremst. Erst der Rüstungswettlauf ab 1940 konnte die Wirtschaftskrise in den USA beseitigen.
In Österreich gilt die Großglockner-Hochalpenstraße als das Aushängeschild für die Beschäftigungspolitik der Zwischenkriegszeit: Die von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg proklamierte "Arbeitsschlacht" brachte 1935 rund 52.000 zusätzliche Beschäftigte. Klingt nach viel, ist aber angesichts von 500.000 Arbeitslosen, die Dieter Stiefel errechnete, aus heutiger Sicht lächerlich.
In Deutschland begann die Hitler-Diktatur einen Rüstungswettlauf - dieser wäre laut dem deutschen Historiker Götz Aly letztendlich nur durch Kriegsbeute zu finanzieren gewesen, hat in Wahrheit aber eine viel größere Katastrophe als die Weltwirtschaftskrise heraufbeschworen.