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Bisher hat es zwei Ansätze gegeben, um Frieden in den Nahen Osten zu bringen. Entweder brachte man eine Friedensvision auf den Weg, die auf grundlegenden Prinzipien beruhte, oder aber man konzentrierte sich auf einen nächsten konkreten Schritt, in der Hoffnung Spannungen abzubauen und Vertrauen stärken. Dann sollte ein weiterer Schritt möglich werden - und später noch einer.
Beide dieser Vorgehensweisen scheinen zulässig, doch hat uns die Erfahrung gelehrt, dass sie sich nicht von selbst erledigen. Obwohl eine Friedensvision Israelis und Palästinenser gleichermaßen reizt, sehen sie keinen Weg, diese zu verwirklichen. Beide Parteien bezweifeln, dass die andere Seite zu den erforderlichen Zugeständnissen bereit ist. Und in der Tat ist keiner gewillt, die notwendigen Schritte zu gehen, solange unklar ist, wohin der Weg führt.
Was sie, kurz gesagt, bis heute vermisst haben, ist ein Wege-Plan, aus dem nicht nur das endgültige Ziel hervorgeht, sondern auch die aufeinanderfolgenden Schritte auf diesem Weg. Seit letzter Woche fehlt dieser Wege-Plan nicht mehr. Am 30. April hat das Quartett - zusammengesetzt aus den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, Russland und den Vereinten Nationen - formell ein siebenseitiges Dokument veröffentlicht, an dem es nahezu ein Jahr lang gearbeitet hat. Als endgültiges Ziel sieht das Dokument - der Wegweiser - eindeutig die Zwei-Staaten-Lösung vor. Diese hatte Präsident Bush bereits am 24. Juni 2002 im Rosengarten des Weißen Hauses aufgezeigt: Ein sicheres und wohlhabendes Israel und ein unabhängiges, entwicklungsfähiges, souveränes und demokratisches Palästina, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit im Nahen Osten leben, aus dem Terror und Gewalt für immer verbannt sind,
Ebenso eindeutig legt dieser Wege-Plan Schritte fest, die dorthin führen sollen. Er weist nicht nur darauf hin, wer zu welcher Handlung aufgefordert ist, sondern auch wann. Der Plan geht also davon aus, dass der Frieden nicht erreicht werden kann, wenn beide Seiten darauf warten, dass sich die andere zuerst bewegt.
In jeder Phase des Prozesses müssen die Parteien deshalb in der Lage sein, sowohl die greifbaren Verbesserungen ihrer Situation als auch eine unfehlbare Annäherung an das endgültige Ziel zu erkennen. Andernfalls werden sie nicht das Vertrauen aufbauen, den Weg weiterzubeschreiten.
In der ersten Phase sollen die Israelis beispielsweise eine merkliche Verbesserung ihrer Sicherheit spüren, indem die Palästinenser sich "erkennbar bemühen" einzelne und Gruppen zu verhaften, aufzuhalten und in die Schranken zu weisen, sofern diese gewalttätige Anschläge gegen Israelis ausführen oder planen. Aber zu selben Zeit sollen die Palästinenser merken, dass die Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit gelockert, die neuen Wachposten in den Siedlungen abgebaut, und andere Siedlungsaktivitäten eingefroren werden. Das Vertrauen in die Sicherheits-Zusammenarbeit zwischen israelischen und palästinensischen Streitkräften sollen beide durch die Beteiligung der US-Sicherheitsbeamten gewinnen.
Die zweite Phase schließt die Option ein, dass - möglicherweise bis zum Ende dieses Jahres - ein Palästinenser-Staat mit provisorischen Grenzen geschaffen wird, vorausgesetzt, dass die Palästinenser im Kampf gegen den Terror nicht nachlassen.
Nach der dritten Phase in 2004/2005 sollten die beiden Parteien, aktiv vom Quartett unterstützt, schließlich genügend Vertrauen entwickelt haben, um eine endgültige Einigung in allen noch ausstehenden Fragen - wie Grenzen, Flüchtlinge, Siedlungsgebiete, Jerusalem - zu erzielen und damit einen umfassenden Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn, einschließlich Syrien und Libanon zu schließen.
Ich bin überzeugt, dass jetzt eine historischen Gelegenheit besteht. Ein entscheidender Teil der ersten Phase - die institutionelle, palästinensische Reform - hat bereits begonnen und mit der Bestätigung von Premierminister Mahmoud Abbas durch das Parlament zu einem bemerkenswerten Ergebnis geführt, das einen Meilenstein in der Entwicklung der palästinensischen Demokratie darstellt. Zudem hat keiner der früheren Friedenspläne eine solch breite Unterstützung durch bedeutende Akteure gefunden: die USA - nach ihrem Sieg im Irak voll engagiert in der Region, Europa, Russland, und die arabischen Schlüssel-Staaten.
Dennoch muss klar bleiben, dass der Streckenplan zwar vom Quartett ausgearbeitet wurde, dass es jedoch die Israelis und die Palästinenser sind, die diesen Weg gehen müssen. Und bedauerlicherweise hat es bereits Blutvergießen auf dem Weg gegeben. In der Nacht bevor der Friedensplan veröffentlicht wurde, tötete ein Selbstmordattentäter in Tel Aviv drei Israelis mit einer Bombe. Am nächsten Morgen inszenierte Israel einen bewaffneten Vergeltungsschlag in Gaza Stadt, wobei im Gewehrfeuer mindestens 15 Palästinenser tragisch ums Leben kamen, darunter ein zweijähriges Kind. Die Gewalttaten zeigen, dass beide Seiten schwere Entscheidungen zu treffen haben, und dass Gegner versuchen, sie mit neuen Terroranschlägen von dem eingeschlagenen Weg abzubringen. Beide müssen ihre Verpflichtungen strikt einhalten, wenn sie verhindern wollen, dass Extremisten die Zukunft diktieren. So muss die Abbas Regierung die Drahtzieher dieser Morde aufspüren und vor Gericht bringen, während Israel exzessive Gewaltanwendung vermeiden muss, die seine Aufgabe nur noch schwerer macht. Obgleich der Weg steinig ist, sollte die Entscheidung zwischen anhaltender Gewalt und Hoffnungslosigkeit auf der einen Seite und Schaffung eines unabhängigen und überlebensfähigen palästinensischen Staates neben einem sicheren und anerkannten Israel auf der anderen Seite nicht schwer fallen. Es ist nun an den Israelis und Palästinensern selbst, diese Wahl zu treffen.
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Der Autor ist UNO-Sonderbeauftragter für den Friedensprozess im Nahen Osten und entwarf die "road map" gemeinsam mit seinen Kollegen aus den USA, der EU und Russland.