Österreich muss ab 2050 emissionsfrei sein. Wie soll das CO2-Restbudget eingesetzt werden?
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Kohlendioxid ist ein langlebiges Gas. In der Atmosphäre tummeln sich CO2-Teile, die schon von unseren Urgroßeltern emittiert wurden. Laut dem Weltklimarat IPCC hat die Erde insgesamt ein Budget von 2900 Gigatonnen CO2 zur Verfügung, damit die Grenze der Erderwärmung von zwei Grad Celsius mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Hohe Wahrscheinlichkeit heißt in diesem Fall: zumindest 66 Prozent.
Jahr für Jahr nähert sich der Planet dieser Grenzmenge. Bis zum Jahr 2011 waren 1900 Gigatonnen verbraucht, fünf Jahre später weitere 200 Gigatonnen. Jüngste Berechnungen des Weltklimarates gehen aktuell von einem Restbudget von etwa 500 Gigatonnen (oder 500 Milliarden Tonnen) aus. Viel Zeit bleibt also nicht. Das Ziel ist aber klar: Es darf weltweit ab 2050 praktisch kein CO2 emittiert werden, damit die große Katastrophe ausbleibt und die Erderwärmung mit zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. (Das 1,5-Grad-Ziel ist fast unmöglich geworden.)
Doch wie sieht der Weg zum Ziel aus? Von heute auf morgen kann kein Land auf Null-Emissionen umstellen, das kann nur über Jahre geschehen. Die Rede ist hier vom "Carbon Management". Es geht darum, die verbleibende Menge an CO2 möglichst produktiv zum Ausstieg zu nutzen. Nur ein Beispiel: Ein Gaskraftwerk stößt zwar ebenso wie ein Kohlekraftwerk Kohlendioxid aus, aber deutlich weniger, um dieselbe Menge Strom zu produzieren. Gas könnte also beim Übergang hilfreich sein, langfristig aber nicht.
Zieht man nun die etwa 500 Milliarden Tonnen CO2 heran, die global noch emittiert werden dürften, ließe sich jedem Land eine bestimmte Menge zuordnen. Mit diesem Kontingent könnten die Länder planen und den Umstieg "managen". Doch die Frage ist: Wie rechnet man? Pro Kopf oder gemessen am jetzigen Ausstoß? Ist jedes Land gleich zu behandeln? Sollen reichere Länder mehr beitragen, weil sie es sich eher leisten können?
Jedes Land meldeteeigenen Weg zum Ziel
Es sind praktische wie ethische Fragen, die hier aufgeworfen werden. Eine Antwort, auf die sich alle Nationen einigen konnten, gibt es bisher nicht. Deshalb wurde bei der Klimakonferenz in Paris von dieser Strategie Abstand genommen und ein Bottom-up-Ansatz gewählt. In Paris meldete jedes Land einen eigenen Weg zum gemeinsamen Ziel. Das Problem dabei: Rechnet man den kumulierten Rest-Verbrauch aller Länder zusammen, würde man deutlich über den angepeilten 2900 Gigatonnen CO2 landen, die die Erwärmung begrenzen.
Der Hauptgrund für den Dissens ist die ungleiche Verteilung der historischen Emissionen. Die Industrieländer haben sich über mehr als ein Jahrhundert auch dank eines schier unbegrenzten CO2-Ausstoßes einen Wohlstand erworben, den Schwellenländer gerade erst anstreben - mit einem ähnlichen Ressourcenverbrauch. China ist vor etwas mehr als zehn Jahren zum größten Emittenten der Welt aufgestiegen und hat die USA abgelöst. Chinas Beitrag zu den Gesamtemissionen liegt derzeit bei 27 Prozent, jener Österreichs bei nur 0,17 Prozent. Das ist für den Klimawandel eine fast schon vernachlässigbare Größe. Andererseits: Pro Kopf gerechnet, stößt die Volksrepublik weniger CO2 aus als Österreich.
Attribute derFairness berücksichtigen
Je stärker vergangene Emissionen eingerechnet werden, desto mehr verschiebt sich das noch verfügbare fiktive Kontingent pro Land in Richtung ärmerer Länder. Der Philosoph Lukas Meyer von der Universität Graz, der sich mit dieser ethischen Frage auseinandergesetzt hat, plädiert für eine Aufteilung, für deren Berechnung Attribute der Fairness berücksichtigt werden, und zwar die historische Verantwortung einerseits sowie das Sicherstellen von Grundbedürfnissen der Bevölkerung in der Phase der Dekarbonisierung andererseits. "Dann würden sich ganz andere Aufteilungen ergeben", sagt Meyer. Auch der Fokus auf die Sicherstellung von Grundbedürfnissen würde armen Ländern den Umstieg erleichtern.
Die Fairness ist das eine, die Machbarkeit etwas anderes. Auch die Forscher der Uni Graz konstatieren, dass langjährige Pro-Kopf-Großemittenten mit den Ergebnissen dieses Rechenmodells überfordert wären. Deutschland oder die USA hätten sogar ein Restbudget im negativen Bereich. Eine Lösung für dieses Problem könnte im Emissionsrechtehandel liegen. Länder wie Brasilien, das seinen CO2-Ausstoß seit 1990 verdoppelt hat, könnte auch anders zu Wohlstand gelangen, als den Regenwald für Landwirtschaft und Industrie zu zerstören: mit dem Verkauf von Emissionsrechten.
Je nach Berechnung bleiben Österreich zwischen 1000 und 1500 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Verbrauch. Zur besseren Einschätzung: Zwischen 1990 und 2015 hat Österreich 2000 Millionen Tonnen emittiert. Es muss also schnell etwas passieren. Nur was? Klar ist: Die dafür nötigen Investitionen sind enorm.
Um Entwicklungsländern den Umstieg zu erleichtern, wurde von der UNO der "Green Climate Fund" eingerichtet. Österreich beteiligt sich mit 30 Millionen Euro, ab dem Jahr 2020 sollen für Entwicklungsländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen.