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Der Weg zur Zweierbeziehung

Von Alexandra Grass

Wissen

Als die Menschen sesshaft wurden, scheinen sie sich von der Polygamie abgewendet zu haben.


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Waterloo/Wien. Der Weg von der Polygamie hin zur Monogamie, so, wie sie - vor allem im westlich-europäischen geprägten Kulturraum - den sozialen Normen entspricht, scheint schon in der Prähistorie ihren Ausgang gefunden zu haben. Dafür verantwortlich machen kanadische Forscher die Entwicklung sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten sowie ein sich in Folge entwickelnder Gruppenzwang hin zur festen Beziehung zu lediglich einem Menschen, wie sie im Fachmagazin "Nature Communications" berichten.

Als nämlich die Sammler und Jäger begannen, in größeren Populationen sesshaft zu werden, um gemeinsam Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, erleichterte dies auch die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten. Die damals aktiven Erreger konnten sich angesichts der daraus resultierenden Effektivitätssteigerung über das gemeinschaftliche Leben der Wirte freuen - ihr Verbreitungsgebiet wuchs damit maßgeblich an.

Krankheitserreger als Ursache

"Die Forschungen zeigen, inwieweit Ereignisse in natürlichen Systemen, wie etwa die Ausbreitung ansteckender Erkrankungen, die Entwicklung sozialer Normen beeinflussen kann - aber auch die gruppenorientierte Urteilsgebung", betont Chris Bauch, angewandter Mathematiker an der University of Waterloo. Die Arbeit zeigt überdies, dass es nicht immer Anthropologen sein müssen, die der Geschichte des Menschen auf die Spur kommen. Grundlage für die Studie ist nämlich eine mathematik-basierte Computertechnik zur Simulation der Evolution des sozialen Paarungsverhaltens. "Unsere Forschungen illustrieren, wie mathematische Modelle nicht nur dazu verwendet werden, die Zukunft vorherzusagen, sondern auch die Vergangenheit zu verstehen", betont Bauch.

Die Analyse macht auch deutlich, dass die Präsenz sexuell übertragbarer Infektionen die Fertilitätsraten unter Männern mit mehreren Partner senkt. Der Weg hin zu einer festen Bindung scheint sowohl Individuen als auch Gruppen einen Benefit zu verschaffen, so die Forscher.

In frühen Sammler und Jäger-Gemeinschaften war die Polygamie mit mehreren Frauen üblich, um ihre Nachkommenschaft zu maximieren. In solch kleinen Populationen, in denen maximal 30 sexuell aktive Personen lebten, hätte ein Ausbruch einer Infektion keine lange Lebensdauer und auch keine signifikanten Auswirkungen gehabt.

Als jedoch die Gruppengröße anwuchs, erhöhte sich die Verbreitung der Infektionen vor allem in polygamistischen Netzwerken, wie die Forscher betonen. Auch heute wäre die Unfruchtbarkeit verursacht durch Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe ohne die moderne Medizin wesentlich verbreiteter. Den Männern brachte die monogame Lebensweise daher Vorteile, sie begannen aber auch damit, Andersdenke zu verurteilen.

Formung sozialer Normen

"Unsere sozialen Normen entwickelten sich nicht in kompletter Isolation von den Geschehnissen in unserer natürlichen Umgebung. Wir könnten sie ohne das Verständnis ihrer Herkunft gar nicht begreifen", erklärt Chris Bauch. Unsere sozialen Normen formten sich demzufolge aus unserem natürlichen Umfeld. Und umgekehrt würden auch diese Normen auf unsere Umwelt einwirken, "wie wir immer mehr erkennen".

Die Forscher betonen, dass solche übertragbaren Krankheiten nur ein Faktor von vielen sind, die Einfluss auf die Entwicklung hin zur Monogamie gehabt haben. Auch die weibliche Partnerwahl, krank machender Stress und technologische Einflüsse hätten dazu beigetragen, so die Studienautoren.