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55.000 Mann, davon 12.000 für Katastropheneinsatz. | Volksbefragung für SPÖ "taugliches Mittel", aber nicht gegen die ÖVP. | Heeres-Experte Karner übt Kritik. | Wien. Die neue Sicherheitsstrategie, an der die Bundesregierung seit Monaten arbeitet, wird immer konkreter. Noch vor dem Sommer soll sie vom Nationalrat beschlossen werden. Die Frage der Wehrpflicht bleibt aber ausgeklammert.
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Bei der Sitzung der zuständigen Regierungsarbeitsgruppe einigten sich SPÖ und ÖVP Dienstagfrüh darauf, die Mobilisierungsstärke des Heeres bei 55.000 Mann zu belassen. Für Katastropheneinsätze sollen 12.500 Soldaten zur Verfügung stehen, für Auslandseinsätze 1100. Ob diese mittels Wehrpflicht oder freiwillig rekrutiert werden, ließen die Verhandler offen. "Diese können sich aus Berufsheer, Miliz oder Freiwilligen zusammensetzen", erklärte Bundeskanzler Werner Faymann im Anschluss an den Ministerrat. Damit bleibt die Frage der Abschaffung der Wehrpflicht weiter offen.
Diesbezüglich setzt die Regierungsspitze weiter auf Verhandlungen. Ob diese fruchten werden, ist angesichts der festgefahrenen Positionen aber zweifelhaft. So erklärte etwa ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf, dass für ihn auch eine Aussetzung der Wehrpflicht - wie es in Deutschland gehandhabt wird - keinen Sinn mache, weil dies gleichzusetzen sei mit der Abschaffung.
Fragt sich, ob eine Volksbefragung ein Ausweg aus der verfahrenen Situation wäre. War das für die ÖVP unter Josef Pröll noch durchaus vorstellbar, kommt nun aus der Volkspartei dazu ein klares Nein. Aus Sicht von Parteichef Vizekanzler Michael Spindelegger wird eine Volksbefragung auch gar nicht nötig sein, denn er sei ein Optimist und überzeugt, dass man sich auf dem Verhandlungsweg einigen werde. "Alles andere ist Plan B - und den habe ich nicht."
Auch Kanzler Faymann will zunächst weiterverhandeln, allerdings bezeichnet er eine Volksbefragung als "taugliches Mittel", sollte keine Einigung erzielt werden. Das sieht auch SPÖ-Heeresverhandler Verteidigungsminister Norbert Darabos so. Eine Volksbefragung gegen den Willen der ÖVP, also mit einer anderen Mehrheit im Nationalrat, werde es aber "sicher nicht" geben, so Darabos.
Die Frage der Wehrpflicht soll, geht es nach der SPÖ, noch heuer geklärt werden. Bei den Heeresreformgesprächen am Dienstag war sie allerdings nicht Thema. Da ging es um die Sicherheitsstrategie, die demnächst beschlossen werden soll. Worauf man sich da geeinigt hat, sorgt allerdings bei Experten für Kopfschütteln.
"Das macht keinen Sinn", sagt der frühere Bundesheerstratege Gerald Karner zur "Wiener Zeitung". Unverständlich ist für ihn vor allem die "verhältnismäßig hohe Mobilisierungsstärke" von 55.000 Mann und der hohe Anteil an Soldaten für Katastropheneinsätze. "Glaubt wirklich einer, dass im Katastrophenfall mobilgemacht wird? Nicht einmal bei der Jugoslawien-Krise 1991 wurde mobilgemacht - geschweige denn bei einem Hochwasser." Demgegenüber sei es geradezu "lächerlich", dass von 55.000 Soldaten nur 1100 für Auslandseinsätze geplant seien. "Das entspricht weder den modernen Herausforderungen noch dem Anspruch Österreichs."
Im Wahlkampf droht unsachliche Diskussion
Für Karner deutet diese "Festschreibung des Ist-Zustands" unter Ausklammerung der Frage der Wehrpflicht darauf hin, "dass die Regierung erkannt hat, dass keine der beiden Parteien gewinnen kann. Daher werde die Frage auf den nächsten Wahlkampf verschoben. Dann, so befürchtet Karner, werde die Sache "noch unsachlicher behandelt als jetzt schon".
Für die Regierung war es am Dienstag übrigens der 100. Ministerrat. Diesmal wurden keine Gesetzesvorlagen beschlossen, in Summe aber rund 220. Außerdem erstatteten die Minister 650 Berichte, davon 260 aus der EU. Weiters gab es etwa 1730 Ministerratsvorträge (etwa Abkommen oder Verordnungen) bei insgesamt 2700 Tagesordnungspunkten.