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Der weite Weg der Veränderung

Von Sabine M. Fischer

Gastkommentare
Sabine M. Fischer ist Inhaberin von Symfony Consulting, Wirtschaftspädagogin und Sprecherin des "AK Industrie 4.0/IoT" in Wien.
© Symfony/Klaus Prokop

Gerne wird imaginiert, dass wir nach der Krise in einer neuen - sprich: besseren - Welt leben werden. Stimmt das?


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Auch dabei waren die Tech-Unternehmen des Silicon Valleys schneller, aber nun haben auch wir sie entdeckt: die eigentlichen Schlüsselkräfte unserer Gesellschaft. Überraschenderweise sind das nicht die top-bezahlten Top-Manager, sondern die einfache Regalbetreuerin im Supermarkt, die slowakische Pflegerin der Großtante, das Reinigungspersonal im Krankenhaus und die Fahrerin des öffentlichen Busses. Kein Politiker und kein Journalist, der derzeit die Bedeutung dieser niedrig entlohnten Menschen nicht überschwänglich betont. "Recht haben sie", denkt der einfache Mensch von der Straße, der nicht am Stadtrand in einem Haus mit Garten und zwei Autos vor der Türe und einer großen Tiefkühltruhe im Keller wohnt.

Viel ist auch die Rede davon, dass diese Schlüsselkräfte nun endlich jene Wertschätzung erfahren, die ihnen eigentlich immer schon zustand, und dass wir überhaupt eine Neubewertung unserer Gesellschaft erleben. Gerne wird imaginiert, dass wir nach der Krise in einer neuen - sprich: besseren - Welt leben werden.

Als Veränderungsberaterin werde ich besonders aufmerksam, wenn ich "wir" und "man" höre: Wer sind diese Personen konkret? Wer genau handelt jetzt wie? Und sind "wir" uns wirklich über die Zielsetzung einig?

Der Lackmus-Test ist immer die Erläuterung der Konsequenzen. Im Falle der derzeit viel gepriesenen engagierten Pflegekräfte aus dem Osten wären zum Beispiel die Rückerstattung der ihnen für ihre Kinder gekürzten Familienbeihilfe und die Aufhebung dieser Ungleichbehandlung erste Schritte, die die Bundesregierung noch diesen Monat setzen könnte.

Ebenso könnten unsere geschätzten Pflegekräfte die schon lange geforderte verkürzte Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich erhalten - die Regierung müsste dafür nur Budgets für die Dienstgeber freigeben. Eine Erhöhung der Entlohnung für die neu entdeckten Schlüsselkräfte würde sogar volkswirtschaftlich Sinn ergeben, weil die Anhebung von Niedriglohngruppen immer in erhöhten Konsum fließt und dann außerdem mehr Menschen in diesen Berufen arbeiten wollten. Wir würden sie brauchen.

Oder wie sieht es mit der finanziellen Belastung von Lehrkräften aus, die nun mit ihren Privatgeräten und auf eigene Kosten für Strom, Telefonie/Datenübertragung und Software, oft unter Negierung des gesetzlichen Datenschutzes, das vom Bildungsministerium beworbene "Distance Learning" von heute auf morgen und bis auf weiteres umsetzen? Geht unsere Wertschätzung so weit, ihnen diese Kosten zu ersetzen?

Aus Sicht von Menschen, die ihren Arbeitsplatz oder ihr Unternehmen verlieren, haben die genannten Schlüsselkräfte ein Privileg: Sie behalten trotz Krise ihre Einkommensquelle.

Zu diesen unterschiedlichen Erlebniswelten kommen noch die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten auf gesellschaftliche Strukturen: Obwohl das Coronavirus die Bedeutung von Pflegekräften für alle sichtbar macht und es mehr Pflegekräfte als Politiker gibt, sehe ich keine Anzeichen für die Erfüllung ihrer Streikforderungen vor der Krise. Aber ich irre mich gerne.