Die Arbeitslosigkeit steigt im September weiter - auch unter Asylberechtigten.|Der AMS-Kompetenzcheck soll Qualifikationen von Flüchtlingen abklären und den Weg in den Arbeitsmarkt erleichtern.
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Wien. Am österreichischen Arbeitsmarkt ist weiterhin keine Entspannung in Sicht. Die Gesamtzahl der Beschäftigten hierzulande steigt zwar, trotzdem sind in Summe immer mehr Arbeitslose zu verzeichnen. Im September stieg die Arbeitslosigkeit um 0,7 Prozenpunkte auf 8,3 Prozent (nach nationaler Definition). Nimmt man in Schulungen befindliche Personen dazu, waren im September 391.417 Personen ohne Job - das sind um 6,1 Prozent mehr als im Vergleichsmonat des Vorjahres.
Wie der ohnehin schon prekäre Arbeitsmarkt mit arbeitsberechtigten Flüchtlingen, also Personen mit Asylberechtigung oder subsidiär Schutzberechtigten, fertig werden wird, ist derzeit Gegenstand teils hitziger politischer Debatten. Denn mit dem allgemeinen Anstieg der Flüchtlingszahlen erhöht sich auch die Zahl der arbeitssuchenden Asylberechtigten: Fast 19.000 waren im September beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, das ist ein Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die meisten von ihnen - drei Viertel - sind junge Männer, sie kommen aus Syrien, Afghanistan und Russland. Vor allem Syrer stehen im Ruf, ein verhältnismäßig hohes Bildungsniveau mitzubringen - der entscheidende Schlüssel für ein Bestehen am Arbeitsmarkt.
Ein Großteil der Flüchtlinge sucht in Wien Arbeit. Für rund 1000 von ihnen startete das AMS deshalb Ende August das Pilotprojekt "Kompetenzcheck" zur beruflichen Integration anerkannter Flüchtlinge. Ziel des Projekts ist, vorrangig die Qualifikationen der Flüchtlinge abzuklären, um dann in weiterer Folge die Anerkennung etwaiger Bildungsabschlüsse rasch in die Wege leiten zu können.
Qualifikationen werden erhoben
"Im Bedarfsfall geht es auch darum, den zusätzlichen Qualifikationsbedarf zu definieren, damit die Integration in den Arbeitsmarkt rasch funktioniert", sagte AMS-Vorstand Johannes Kopf.
Es gebe zurzeit zwei extreme Einschätzungen, wie gut die Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, wirklich ausgebildet sind, meint Kopf. "Die einen sagen, das sind alles Ingenieure, die anderen meinen, die meisten sind minderqualifiziert - beides stimmt nicht." Da die Ausbildungssysteme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge meist in keiner Weise mit europäischen Standards vergleichbar seien, könne man den vorliegenden Zahlen zum Ausbildungsgrad nicht trauen, so Kopf.
"Formalistische Ausbildungssysteme wie eine Lehre gibt es nur bei uns. Wer von den Flüchtlingen was genau kann oder erlernt hat, weiß zurzeit niemand", so Kopf. Wenn im Dezember Ergebnisse des Pilotprojekts vorliegen, könne man die Daten hochrechnen und so ein stimmigeres Bild über die Qualifikationen der Asylberechtigten erhalten.
Die rund 1000 im Pilotprojekt "Kompetenzcheck" befindlichen Asylberechtigten werden fünf Wochen vom AMS in ihren Muttersprachen - Arabisch, Farsi (Persisch), Russisch und Französisch - betreut. Parallel dazu besuchen die Flüchtlinge Deutschkurse am AMS. Zudem erhalten sie gezielte Schulungen, um sich bei der Jobsuche zurechtfinden zu können, erlernen das Verfassen von Bewerbungen und erhalten Informationen zu den Rechten und Pflichten von Arbeitnehmern.
Individuelle Betreuung braucht Zeit und Geld
Kompetenzen erheben, Arbeitserfahrung überprüfen, Talente, Neigungen und Vorstellungen eruieren - das ist seit langem das täglich Brot des kleinen Wiener Vereins "lobby16". Seit 2009 hilft das kleine Team von "lobby16" jugendlichen, oft unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mit Arbeitsberechtigung, ihren Weg ins Berufsleben zu finden.
"Die Abklärung von Fähigkeiten und Ausbildung, aber auch der konkreten Berufswünsche der Flüchtlinge steht dabei immer am Anfang", sagt Veronika Krainz, Geschäftsführerin von "lobby16". Sie begrüßt das Pilotprojekt des AMS, dennoch müsse das Ziel eine systematische Erhebung des Bildungsniveaus der Schutzsuchenden sein. Rücksichtnahme auf die individuellen Voraussetzungen sei essenziell, wenn man mit der Betreuung Erfolg haben möchte - und die koste eben Geld und sei sehr personal- und zeitintensiv. Nur zu erheben, welche Qualifikationen mitgebracht werden, sei zu wenig. "Wer nachhaltigen Erfolg bei der Integration der Asylberechtigten in den Arbeitsmarkt möchte, der muss sich Zeit nehmen für die Betreuung", sagt Krainz.
In welche Branchen wollen Asylberechtigten? Die Bereiche Tourismus und Gastronomie, Handel, Telekommunikation, aber auch Metall und Maschinenbau sowie Elektrotechnik seien besonders nachgefragt, weiß Krainz. Allesamt Bereiche, in denen der Arbeitsmarkt durchaus Bewerber vertragen kann.
Situation gilt als gespannt, aber lösbar
Im vergangenen Jahr gab das AMS 43 Millionen Euro für die Arbeitsmarktförderung von Personen mit Asylstatus oder subsidiär Schutzberechtigte aus. Heuer waren es bis Ende August bereits 32 Millionen Euro, die Regierung beschloss im September die Einrichtung eines "Integrationstopfs" in Höhe von 75 Millionen Euro.
Für das kommende Jahr wird mit bis zu 35.000 zusätzlichen arbeitssuchenden anerkannten Flüchtlingen am heimischen Arbeitsmarkt gerechnet. Wirtschaftsforscher halten den Zustrom auf den Arbeitsmarkt aber für durchaus verkraftbar, immerhin 30.000 zusätzliche Kräfte hielte der Jobmarkt aus, meint beispielsweise Wifo-Chef Karl Aiginger. Auch Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) hält eine rasche Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt für möglich - dafür müssten die Asylverfahren aber verkürzt werden, so Hofer.
Für das laufende Jahr sind aber noch keine negativen Effekte am Arbeitsmarkt durch die Flüchtlinge zu erwarten, den jetzt ankommenden ist ja der Weg zur Arbeit, so sie sich noch in Asylverfahren befinden, versperrt.