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Das Erstarken des Protektionismus beim Weltwirtschaftsforum als Hauptthema. | Direkte Antwort auf Liberalisierung. | Davos. Der Protektionismus scheint in die Weltwirtschaft zurückzukehren. In den vergangenen Monaten haben deutsche Politiker und Unternehmen erfolgreich verhindert, dass russische Staatsfirmen und allgemein ausländische Staatsfonds namhafte Beteiligungen an deutschen Unternehmen etwa in der Energiewirtschaft erwerben. Die deutsche Bundesregierung diskutiert über Mittel, ausländische Staatsfonds von Fall zu Fall vom Erwerb strategisch wichtiger Unternehmen auszuschließen.
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In den USA haben derzeit die Demokraten Oberwasser. Ihre Kandidaten versuchen gegen den Neoliberalismus zu punkten. Amerika habe seine Balance verloren, ruft etwa Barack Obama seinen Anhängern zu. Hillary Clinton spricht sich für "strenge Arbeits- und Umweltvorschriften bei jedem internationalen Handelsabkommen" aus - traditionell eine Umschreibung für den Schutz westlicher Industrieländer gegen ausländische Konkurrenz. Dabei stockt die weitere Liberalisierung des Welthandels schon jetzt. Die derzeitigen Verhandlungen über der sogenannten Doha-Runde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) liegen auf Eis. Überall in der Welt werden bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen, welche den Partnern Privilegien gegen allen andern Ländern verschaffen. An die Stelle eines großen Weltmarktes könnten so viele Teilmärkte treten.
WEF-Chef: "Egoismus"
"Wir werden egoistischer und nationalistischer", formuliert es Klaus Schwab, Gründer und Chef des Weltwirtschaftsforums in Davos (WEF). Schwab hat diesen Protektionismus zu einem Hauptthema des diesjährigen WEF-Treffens erklärt, das morgen, Mittwoch, beginnen wird.
Die europäische Wirtschaft ist genauso wie der WEF-Chef beunruhigt. "Die Situation ist viel unsicherer geworden", sagt etwa Marc Stocker vom europäischen Wirtschaftsdachverband in Brüssel. Hinzu komme, dass sich der Westen erst an den Aufstieg Indiens und Chinas als wirtschaftliche Großmächte gewöhnen müsse. Dank der großen Währungsreserven gerade Chinas kehrten sich zudem die Kapitalflüsse um: Statt von West nach Ost strömen die Dollars und Euros nun von Ost nach West - und das mache Angst. "Die Veränderungen erklären die Zunahme des Protektionismus in Europa", so Stocker. Man organisiere sich, um die europäischen Interessen gegenüber den Neuankömmlingen zu verteidigen.
Ähnlich sieht es auch Heinz Hauser, Leiter der Abteilung Aussenwirtschaft der Universität St. Gallen. "Die Zunahme des Protektionismus ist eine Reaktion auf die Auswirkungen der Liberalisierung." Der Erfolg etwa Chinas auf dem Weltmarkt sei so groß, dass sie Unsicherheit gerade auch in den USA auslöste. Die USA, die in den 80er und 90er Jahren die Liberalisierung der Weltwirtschaft vorangetrieben haben, hätten nun selbst Mühe, die Folgen zu tragen. Das gleiche gelte für Investitionen der Schwellenländer in den Industrieländern.
Doch aus Sicht Hausers stellt der derzeitige Zuspruch für den Protektionismus keine Trendwende dar. "Man wehrt sich zwar gegen eine unkritische Liberalisierung. Aber es werden noch keine neuen Handelsbarrieren errichtet." Auch die Blockade der WTO-Verhandlungen dürfe nicht überbewertet werden: Viele der beteiligten Regierungen, etwa die US-Administration und die indische Regierung, seien innenpolitisch kaum handlungsfähig.