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Muammar Gaddafi soll in Libyen bleiben dürfen. Frankreich, Großbritannien, die USA und sogar die libyschen Rebellen sind zuletzt von der Forderung abgerückt, den Diktator vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen. Dort würde ihn und seine engsten Getreuen ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erwarten. Doch das will man dem Oberst, der seinen Machtanspruch zäh verteidigt, ersparen.
Von Gaddafi wird nur noch verlangt, dass er die Macht komplett abgibt und keine Bedrohung mehr für die libysche Bevölkerung darstellt. Angesichts der kriminellen Energie und der Gefährlichkeit Gaddafis bedeutet das, dass er seine letzten Tage streng bewacht in einem Haus irgendwo in Libyen zubringen würde.
Das Einlenken der Briten und Franzosen sowie der USA ist aus drei Gründen kurzsichtig und gefährlich. Erstens hat Gaddafis Regime Zivilisten foltern und ermorden lassen. Ließe man Gaddafi und seine Helfer davonkommen, wäre das ein verheerendes Signal an andere Despoten im arabischen Raum, die gerade dabei sind, Aufstände ihrer Bevölkerung niederzuknüppeln. Auch wäre der Westen einmal mehr moralisch diskreditiert.
Zweitens wird Gaddafi offenbar immer noch falsch eingeschätzt. Das Einlenken in Sachen Strafverfolgung soll den Libyer augenscheinlich zum Rücktritt ermutigen. Ganze Kohorten von Diplomaten haben allerdings bereits versucht, die Bedingungen zu erkunden, unter denen Gaddafi bereit wäre, die Macht abzugeben und den Bürgerkrieg in seinem Land zu beenden.
Das Problem ist, dass Gaddafi zwar mit jeder ausländischen Macht gerne Gespräche aufnimmt, zu Verhandlungen aber nicht bereit ist. Es gilt vielmehr das, was er im Februar zu Beginn des Aufstandes im libyschen Fernsehen gesagt hat: Er werde "bis zum letzten Blutstropfen, bis zur letzten Patrone kämpfen" und nicht "vor einigen drogensüchtigen Banditen" in die Knie gehen.
In der UNO wurden die Reden als Äußerungen eines Verrückten abgetan, Gaddafi hat es aber ernst gemeint. Er will keinen Millimeter seiner Macht abgeben, egal, welche Bedingungen ihm angeboten werden. Die Verhandlungen führt er nur, um einen Keil in die internationale Allianz zu treiben. Die Bereitschaft des Westens, Gaddafi den Weg nach Den Haag zu ersparen, wird von diesem als Schwäche ausgelegt und ermutigt ihn zum Durchhalten. Das kann nicht im Interesse des Westens sein.
Gaddafi glaubt, er müsse die Nato-Angriffe nur noch wenige Wochen aussitzen. Und seine Chancen steigen. Das UN-Mandat, das den Militäreinsatz deckt, läuft am 27. September ab. Ob es erneuert wird, ist ungewiss. Außerdem zeigt der Westen Ermüdungserscheinungen. Der Einsatz kostet Frankreich eine Million Euro pro Tag, britische Militärs warnen vor einer Überlastung der Streitkräfte.