Die Macht von Öl- und Gasressourcen ist ungebrochen. | Seltene Erden: Was China sah, während der Westen schlief. | Erdöl ist noch immer Hauptmotor der Wirtschaft. Alle Bemühungen, auf grüne Energie umzuschwenken, stecken noch in den Kinderschuhen. Der Klimagipfel in Kopenhagen tat mit seinem Nicht-Ergebnis das Seinige dazu, dass fossile Energieträger noch lange im Dreh- und Angelpunkt von Klimaschützern, der Industrie und der Weltpolitik stehen werden.
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Öl ist der Rohstoff mit der höchsten Energiedichte und kommt vor allem in Regionen vor, denen der sogenannte Westen misstraut. Saudi-Arabien hat etwa 23 Prozent aller weltweiten Ölreserven. Der Iran 11,6 Prozent. Irak 9,8 Prozent. Kuwait 8,9 Prozent. Die Vereinigten Arabischen Emirate 8,3 Prozent. Der Nahe Osten kommt damit auf mehr als 60 Prozent aller weltweit verfügbaren Ölreserven. Russland ist erst auf Platz sechs im Ranking der Ölnationen mit vergleichsweise mageren und doch mächtigen 6,4 Prozent der Ölressourcen weltweit. Gleich gefolgt von Libyen auf Platz sieben mit 3,7 Prozent. China hält 1,4 Prozent (Quelle: BGR - Deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe). Und auch beim nächstbesten Ausweichstoff, Erdgas, halten drei Länder allein 54 Prozent der Reserven weltweit: Russland, Iran und Qatar.
"Da muss man damit leben, dass die Regionen mit den fossilen Energien nicht die stabilsten Länder sind. Darum muss sich die Politik kümmern. Das ist im Interesse aller", beschreibt es nüchtern Hilmar Rempel, BGR-Rohstoffexperte. Das bedeutet auch für die nächsten Jahre eine diplomatische Gratwanderung zwischen Kriegen, Besetzungen und Menschenrechtsverletzungen. Ein ständiges Bitten und Fordern, ein Ringen um Zugeständnisse gefolgt von Empörung durch Nichtregierungsorganisationen. In den Jahren 2020 bis 2035 wird der Höhepunkt der Ölförderung überschritten sein. Danach wird das Öl kontinuierlich weniger. Wann es soweit kommen wird, hängt auch davon ab, zu welchem Zeitpunkt die "Giant Fields", jene Felder mit mehr als 68 Millionen Tonnen an Reserven, angebohrt werden. Noch sind die Ölfelder im Iran weitgehend tabu. Der Irak hat aber nach Jahren des Krieges und der Isolation vor kurzem die Lizenzen zur Förderung für seine Giant Fields auf den Markt geworfen, die von internationalen Konzernen ersteigert worden sind. Theoretisch könnte die Exploration in ein bis zwei Jahren beginnen - allerdings nur unter der Bedingung, dass die politische Lage stabil bleibt. Einige der Felder waren selbst den Konzernen zu heiß: Zu viele Granaten und Bomben, die in der unmittelbaren Nähe detonieren. "Das wird das Hauptthema der nächsten Jahre: Wie schnell schafft es der Irak, in den Markt zurückzukehren", meint Johannes Benigni von dem in Wien ansässigen Öldienstleister JBC Energy.
Wenn der Verkauf der Lizenzen hält, könnte die Ölproduktion pro Jahr um 6 bis 12 Millionen Fass pro Jahr ansteigen. Allerdings sind im März im Irak Wahlen. Benigni hält es für möglich, dass die neue Regierung den Verkauf der Lizenzen widerruft. Wenn hingegen alles nach Plan verläuft, dann wird "easy oil", also leicht zu gewinnendes Erdöl, wieder bedeutend. Kostspieliges Deep Sea Drilling wäre nicht erforderlich. Der Ölpreis, der gerade erst wieder anzieht und den Experten bei einem Durchschnittswert von 80 Dollar pro Fass im Jahr 2010 sehen, könnte wieder fallen. Und die Diskussion um Energieeffizienz gerät für eine Zeit wieder in Vergessenheit. Apropos grüne Energie: In gewisser Weise steht die Welt vor einer ausweglosen Situation. Denn auch die Elektromotoren der Zukunft lassen sich nicht ohne Rohstoffe bauen - und auch die grünen Rohstoffe wachsen nicht auf Bäumen, sondern sind in Ländern daheim, wo der Westen sich die Zähne ausbeißt. Die Industrie sorgt sich vor allem vor einem Monopol Chinas bei einer besonderen Form der Rohstoffe mit dem fast poetischen Namen "Seltene Erden". 95 bis 97 Prozent dieser Metalle werden gegenwärtig in China abgebaut. Die limitierten Mengen an Stoffen der dritten Gruppe des Periodensystems sind der Schlüssel zur Technologie des 21. Jahrhunderts. Ohne Metalle wie Neodym oder Lanthan geht bei Hitech-Produkten gar nichts. Sie sind grundlegend für Elektromotoren, Navigationssysteme, Katalysatoren, Luftabwehrraketen und sonstige Teile der Rüstungsindustrie.
Akkus für Hybridautos enthalten bis zu 15 Kilogramm Neodym sowie ein Kilo Lanthan", erklärt Waltraut Urban vom Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche die Bedeutung. Überall, wo Hochleistungsmagnete gebraucht werden, die auch bei hohen Temperaturen volle Leistung erbringen, seien Seltene Erden erforderlich - etwa in Windkraftwerken. Jeder MP3-Player benötigt Neodym. Und jede Energiesparlampe Terbium. Das wird womöglich bald nicht mehr exportiert. Seit 2002, als China auf "qualitatives statt quantitatives Wachstum" umgestellt hat, kürzten die Behörden die Exportquoten, außerdem verlangen sie eine Exportsteuer von 25 Prozent. Doch was westliche Unternehmen wirklich alarmiert, ist die Ankündigung Chinas, die Ausfuhren nun noch stärker zu limitieren. Pekings "Rare Earth Development Plan" sieht vor, die Ausfuhren etwa von Terbium gänzlich zu stoppen. Wang Caifeng, leitender Funktionär im chinesischen Ministerium für Industrie und Information, sagte jüngst bei einer Konferenz in Peking, dass die staatseigenen Minen kaum genug Terbium abbauen können, um den Eigenbedarf zu stillen. Damit steht die nächste Klage bei der Welthandelsorganisation, der WTO, auf dem Programm. Seit Juni 2009 ist schon eine anhängig. Denn während sich der Westen aus der Rezession schält und um den Zugang zu natürlichen Ressourcen kämpft, drosselt China seine Exporte für Koks, Bauxit, Magnesium, Mangan, Silicon, Phosphor und Zink. Die USA und die EU sehen die Export-Beschränkungen als Angriff auf den internationalen Wettbewerb. China verweist darauf, dass seine Exportpolitik nur auf den Umwelt- und Ressourcenschutz abziele. Nach den WTO-Regelungen könne ein Land aber seine eigenen Ressourcen schützen. Es wird ein diplomatisches Tauziehen.
China, das über lange Zeit nur Lieferant von Rohstoffen war, gewinnt auf dem Weltmarkt Oberhand. Strafzölle sorgen dafür, dass sich chinesische Produzenten im Reich der Mitte preiswerter mit Metallen wie Kupfer versorgen können als ihre ausländische Konkurrenz. Gleichzeitig weitet die Regierung über ihre staatlich gelenkten Unternehmen den Zugriff Chinas auf ausländische Vorkommen aus und sorgt so für eine künstliche Verknappung. "China hat als erstes Land die Chancen für diese Grundstoffe erkannt und entsprechend gehandelt", beschreibt Eugen Weinberg, Rohstoff-Analyst der deutschen Commerzbank, die Situation. Noch in den 90er Jahren hatte China die Metalle aus Seltenen Erden zum Schleuderpreis auf dem Weltmarkt verkauft. "Entweder aus Dummheit oder aus reiner Absicht haben die Chinesen den Weltmarkt mit billigen Seltenen Erden überflutet und den Preis in den Keller geschickt", schreibt die BBC: Fast alle Konkurrenten, die auch Seltene Metalle gefördert haben, mussten zusperren. In den Worten von Jack Lifton, Rohstoff-Experte aus Detroit: "Deng Xiaoping sagte schon 1992, dass China die neue Opec für Seltene Erden wird - genau das ist jetzt Realität."