OECD-Sekretär ruft zu mehr Investitionen in Landwirtschaft auf. | In Afrika gibt es bisher keine nennens werten Restrik tionen für Käufer. | Wien/Berlin. Wenn auch der jetzige Preisanstieg den Wetter-Katastrophen geschuldet ist, so sind sich alle Experten einig: Langfristig wird Nahrung teurer. Denn: "Die Produktivität der bewirtschafteten Flächen nimmt zwar zu, sie hält aber nicht Schritt mit der noch schneller steigenden Nachfrage", erklärt Franz Sinabell, Agrarökonom vom Wifo.
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Die UN-Ernährungsorganisation FAO rechnet, dass die derzeitige Produktion von Nahrungsmitteln bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden muss, damit die Welt satt wird - die Menschheit wird in 40 Jahren geschätzte 9,1 Milliarden Köpfe zählen.
Die Lösung? "Wir brauchen mehr Investitionen in die Landwirtschaft, und zwar von privater als auch von staatlicher Seite", erklärt der OECD-Generalsekretär für Landwirtschaft, Ken Ash, gegenüber der "Wiener Zeitung". Ash ist einer der Gäste des "Global Forum for Food and Agriculture", das sich dieses Wochenende im Rahmen der Grünen Woche in Berlin ein Stelldichein gibt.
Also muss ungenutztes Potenzial gehoben werden. Agrarökonomen sehen die größten Potenziale in noch unbeackerten Flächen in Kanada, Brasilien, Russland, Australien und China. In Afrika, so der Tenor, kann die Produktivität der bereits bewirtschafteten Felder noch deutlich gesteigert werden. Denn die Maschinen, mit denen die lokalen Bauern ihr Feld bestellen, sind bestenfalls auf einem Stand von vor 50 Jahren. Es geht also noch mehr - und das zu attraktiven Preisen für das Endprodukt, das zunehmend moderner wird. Die Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung, die sich etwa in Afrika engagiert, setzt auf Biotechnologie und gentechnisch verändertes Saatgut. Damit können die Bauern ihre Erträge steigern. Und Abnehmer gibt es genug.
Landwirtschaft wird zu einem sicheren Hafen für Investoren. Der Amerikaner Michael Burry hat das schon längst erkannt. Burry hat sich etwa an der Wall Street den Ruf eines Wunderkinds erarbeitet, nachdem er mit Wetten gegen die Immobilienblase ein Vermögen verdient.
Vor kurzem erklärte er in einem Interview, dass er einen beträchtlichen Teil seines Geldes nun in unbebauter Erde angelegt hat. "Ich glaube, dass Acker zusammen mit Wasser in Zukunft sehr, sehr wertvoll sein wird."
Er investiere am liebsten in unberührtes, vielleicht noch nicht einmal dem Ackerbau gewidmetes Land, denn dann ist es am billigsten, wie er lächelnd zugibt.
Investitionen in Landals zweischneidiges Schwert
In welchen Ländern er zukauft, wollte er nicht sagen. Wohl nicht in den USA - dort haben sich laut National Agricultural Statistic Service die Preise für landwirtschaftlich nutzbaren Boden innerhalb des letzten Jahrzehnts verdoppelt. Deswegen kaufen immer mehr Amerikaner Boden außerhalb - etwa in Lateinamerika. Brasilien hat allerdings letztes Jahr seine Gesetze verschärft, nachdem Ausländer - zumeist über inländische Strohmänner - schon über vier Millionen Hektar Ackerland gekauft haben. "Aufgrund von Versorgungssicherheit muss brasilianischer Acker in brasilianischen Händen bleiben." Anders in Afrika: Seit 2004 sind nach den Zahlen der FAO 2,5 Millionen Hektar Land in Äthiopien, Mali, Madagaskar, Sudan und Ghana verkauft worden. Andere Quellen sprechen von bis zu 30 Millionen Hektar in Afrika. Es ist kein Zufall, dass sich der OECD-Sekretär Ash beim "Global Forum for Food and Agriculture" mit der Chefin der staatlichen Investment-Behörde in Uganda, Maggie Kigozi, die Bühne teilt.
"Der Vorteil von Investoren ist, dass die Fläche dann zumeist gut bewirtschaftet wird und die entsprechenden Erträge liefert", meint Wifo-Experte Sinabell. Der Nachteil: Die Versorgung innerhalb des Landes könnte gefährdet sein. Unter dem Stichwort "Land Grabbing" pachten etwa ostasiatische Staaten wie China sowie arabische Länder Flächen in Afrika, um Nahrungsmittel für die eigene Versorgung zu haben.
Die Ausweitung der Farmfläche bedeutet aber auch einen sozioökonomische Wandel. Da größere Flächen billiger bewirtschaftet werden können, wird Kleinbauern - sei es Afrika, Lateinamerika oder Asien - ihr Land abgekauft, oder sie werden vertrieben. Heimatlos geworden, wandern sie zumeist in die nächste Stadt und siedeln sich in den Slums an.