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Washington - Präsident George W. Bush zeigte sich nach außen gelassen. Die Anti-Kriegs-Demonstrationen seien ein Zeichen der demokratischen Gesinnung in den USA, erklärte der Präsident. Doch zugleich gestehen auch manche Parteifreunde Bushs ein, dass die Unterstützung in der Bevölkerung für einen Irak-Krieg schwindet und der Widerstand wächst. Allein in Washington protestierten am Wochenende nach Angaben der Organisatoren eine halbe Million Menschen gegen einen möglichen Krieg.
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Für Beobachter am beeindruckendsten war dabei, dass die Demonstranten diesmal aus allen Bevölkerungsschichten kamen. Es waren nicht nur die Jungen und die Studenten wie einst bei den Vietnamkriegsprotesten. Diesmal waren es Anwälte, Hollywoodstars wie Jessica Lange, Gewerkschaftsvertreter, Vietnamveteranen wie Ron Kovic, dessen Leben unter dem Titel "Geboren am 4. Juli" mit Tom Cruise verfilmt wurde, und viele "ganz normale Amerikaner".
Polly Robison, eine Kunsthistorikerin aus Washington, erklärte, sie sei seit ihrer Kindheit, als sie mit ihren Eltern auf einer Vietnamkriegsdemonstration war, nicht mehr auf die Straße gegangen. Doch diesmal sei sie mit ihrer vierjährigen Tochter demonstrieren gegangen, um ein Zeichen zu setzen. Die 76-jährige Jüdin Eva Cutler aus Miami, die als Kind den Einmarsch der Deutschen in Budapest erlebt hatte, sieht keine Berechtigung für einen Krieg. Als der Irak Kuwait angegriffen hatte, da habe es einen Grund für einen Krieg gegeben, jetzt nicht, erklärte sie.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, bezeichnete die Demonstranten als eine lautstarke Minderheit. Die meisten Amerikaner unterstützten den Kurs des Präsidenten, gingen nur nicht auf die Straße, erklärte Fleischer.
Fleischers Behauptung wird allerdings durch jüngste Umfragen widerlegt. Sie zeigen, dass die amerikanische Öffentlichkeit in der Frage eines militärischen Vorgehens gegen den Irak klar gespalten ist. Bei der Umfrage im Auftrag des Nachrichtensenders CNN erklärten 49 Prozent der Befragten, Bush handle in der Irak-Krise richtig. 44 Prozent hielten sein Vorgehen dagegen für falsch. Eine Gallup- Umfrage zeigt zugleich, dass es für die Regierung von Präsident Bush zunehmend schwierig wird, einen Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen, solange die Inspekteure keine Massenvernichtungswaffen finden. Nur 23 Prozent der Befragten befürworteten einen Krieg auf Grund der bisher vorliegenden Beweise.
Gerade diese ablehnende Haltung in der Bevölkerung wollten auch die Friedensdemonstranten zeigen. Brian Becker, ein Sprecher der Organisatoren, erklärte, die Demonstranten wollten den Mythos eines Konsenses in der amerikanischen Öffentlichkeit widerlegen.
Den Mythos zerstörte vor wenigen Tagen auch eine Gruppe von republikanisch gesinnten Geschäftsleuten. In einer ganzseitigen Anzeige im "Wall Street Journal" unter dem Titel "Eine republikanische Meinungsabweichung zum Irak" erklärten Bushs Parteifreunde: "Die Welt will, dass Saddam Hussein entwaffnet wird, aber Sie müssen einen besseren Weg finden." Der offene Brief schließt mit den Worten: "Mr. Präsident, Ihr Krieg gegen den Irak besteht die Prüfung nicht."