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Der Wiedergänger

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik
Augen zu und durch: Immer wieder hat Berlusconi herbe Rückschläge einstecken müssen, seiner Beliebtheit hat das kaum geschadet.
© reu

Analyse: Berlusconi wird auch nach dem Senatsausschluss in Italien mitreden.


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Rom. Es ist ein Abgang, der Tradition hat - so lange dauert der Abschied Silvio Berlusconis aus der italienischen Politik schon an. Am Mittwoch nun ist der viermalige Ex-Premier aus dem Senat ausgeschlossen worden. 20 Jahre nach seinem Eintritt in die Politik hat der 77-Jährige seinen Sitz im Parlament und mit ihm den Schutz vor Strafverfolgung verloren. Das ist ein herber Schlag für den Multimilliardär.

Doch Berlusconi ist solche Hiobsbotschaften längst gewohnt. Sie gehören inzwischen sogar konstitutiv zu jenem Bild, das der Medienunternehmer von sich selbst in der Öffentlichkeit zeichnet. Berlusconi inszeniert sich, so lächerlich das auch manchmal erscheinen mag, als politisch Verfolgter und Opfer der Justiz, mit der er seit Jahren im Clinch liegt. In drei Instanzen wurde der Ex-Premier wegen Steuerbetrugs verurteilt. Die wilde Partynächte mit teilweise minderjährigen Mädchen haben dem Cavaliere eine erstinstanzliche Haftstrafe im Ausmaß von sieben Jahren beschert. Und noch immer ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften gegen Berlusconi, unter anderem wegen Korruption und Zeugenbestechung.

Immer wieder kehrten ihm auch Gefolgsleute den Rücken, wie jüngst Innenminister Angelino Alfano. Und die meisten Beobachter waren sich sicher: All dies beschleunigt Berlusconis Machtverlust. Inzwischen dürfte jedoch deutlich sein, dass die Genickschläge für Berlusconi eine ähnliche Wirkung wie Vogeldreck auf der Windschutzscheibe haben. Er macht ein wenig Schmutz, prallt aber ab. Berlusconi kann seinen eigensinnigen Weg beinahe unbeirrt weitergehen, und seine Gegner freuen sich wieder einmal zu früh. Schon während der Senat noch mit seinem Ausschluss beschäftigt war, kündigte Berlusconi vor seinen Fans an, fortan einfach außerhalb des Parlaments weiter Politik zu machen. Der Satiriker Beppe Grillo, der keinen Sitz im Parlament hat, und seine 5-Sterne-Bewegung machen es vor. Sie erzielte knapp 25 Prozent bei den letzten Wahlen. Berlusconis Partei Forza Italia liegt in jüngsten Umfragen wieder bei über 20 Prozent. Sogar aus dem Gefängnis wäre es Berlusconi ein Leichtes, diesem als Firma konzipierten Wahlverein die Richtung weiterhin vorzugeben.

Nur politisch zu besiegen

Berlusconis Geheimnis ist sein ungebrochener Erfolg bei den Wählern. Da können die Ermittler noch so viele dunkle Seiten des Medienmoguls aufdecken. Im Gegenteil, die teilweise politisierte italienische Justiz trägt zur Mythenbildung um den Cavaliere bei. Berlusconi hat den Austritt seiner Forza Italia aus der Regierungskoalition einen Tag vor der Abstimmung des Senats über seinen Ausschluss kühl kalkuliert. Er wird nun versuchen, den traditionell großen Unmut über die Regierung zu schüren und die nächsten Wahlen zu gewinnen. Ausgeschlossen ist das nicht.

Das einzige Mittel, um Berlusconi endgültig in die Schranken zu weisen, ist eine politische Antwort seiner Gegner. Die Ausgangslage ist dabei gar nicht schlecht. Der sozialdemokratische Premier Enrico Letta und Innenminister Alfano sind nun alleine an der Regierung. Bislang lieferten sie, auch von Berlusconis populistischen Schachzügen gezwungen, Stückwerk. Nun könnten sie Italien endlich mit durchgreifenden, strukturellen und mutigen Reformen nach vorne bringen. Es wäre das einzige Rezept, das gegen Silvio Berlusconi funktioniert.