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Der Wiener Atom-Kongress

Von Thomas Seifert, Arian Faal, Daniel Bischof, Gerhard Lechner

Politik

Der seit Jahren schwelende Atomstreit mit dem Iran könnte in den kommenden Tagen im Palais Coburg gelöst werden.


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Wien. An diesem Wochenende soll der Grundstein zu einem Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran gelegt werden: Die Außenminister John Kerry (USA), Laurent Fabius (Frankreich), William Hague (Großbritannien) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland) reisen am Sonntag (Kerry bereits am Samstag) nach Wien, um dort mit dem schon seit Tagen in Wien anwesenden iranischen Außenminister Javad Zarif direkt zu verhandeln.

Washingtons John Kerry wird Samstagnachmittag anreisen, seine Kollegen Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), William Hague (Großbritannien) und Laurent Fabius (Frankreich) am Sonntag, Irans Mohammed Javad Zarif ist ohnehin längst hier. Russlands Außenminister Sergej Lawrow, wird nicht dabeisein, ob Chinas Wang Yi anreist, war am Freitag unklar.

Die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton moderiert einige dieser Treffen. So ist etwa am Sonntag ein Mittagessen geplant, bei dem alle Verhandlungspartner teilnehmen sollen. Die politischen Spitzenrepräsentanten sollen aber vor allem nach Wien kommen, um dort, wo die Verhandlungspartner noch weit auseinander liegen, Brücken zu bauen und auszuloten, wie die Chancen für einen Verhandlungserfolg stehen, meint Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mann nennt das kurz und bündig "Inventur".

Aus Verhandlerkreisen war auch zu erfahren, dass es - so die Verhandlungsrunde am Sonntag gut läuft - kommendes Wochenende zu einer zweiten, entscheidenden Verhandlungsrunde unter Beteiligung der Spitzenrepräsentnaten kommen könnte. Bei den Gesprächen mit den anderen Außenministern will Zarif auch erwirken, dass die "Wundpunkte" bei den Gesprächen - die Zentrifugenfrage und die Diskussion rund um die Kontrolle der Anlagen - ein Stück entschärft werden, heißt es aus dem Umfeld des iranischen Verhandlungsteams.

"Die Verhandlungsfortschritte bei den Atomgesprächen in Wien sind besser als gedacht", meint Daryl Kimball, Direktor der Arms Control Association in Washington, D.C. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Kelsey Davenport, eine Kollegin von Kimball bei der Arms Control Association (ACA), präzisiert: Nach den Informationen von ACA habe es hinter den Kulissen deutliche Fortschritte in wichtigen Punkten gegeben, Differenzen bestünden aber weiter bei der Frage um die Anreicherung von spaltbarem Uran. "Die Rufe nach einer Erhöhung der Anreicherungs-Kapazitäten, die von Teilen der iranischen Führung gekommen sind, widerspiegeln nicht die Realitäten am Verhandlungstisch", meint Davenport, aber der Iran müsse eben auch in der Lage sein, einen Deal zu Hause zu verkaufen. "Diese Quadratur des Kreises zu schaffen, erfordert einen Kompromiss - die internationale Gemeinschaft kann wohl keine dramatische Verminderung der Urananreicherungskapazitäten des Iran verlangen. Aber um dieses Problem zu lösen, gibt es kreative Lösungen", meint Davenport. Es gibt aber freilich noch andere Knackpunkte, etwa den in Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak, in dem eines Tages Plutonium zum Atombombenbau gewonnen werden könnte, das iranische Raketenprogramm und die Entwicklung von Initialzünder-Technologie durch den Iran, die einzig und allein dem Zünden einer Atombombe dient. Die Verhandler haben jedenfalls Zeit bis zu einer selbst gesetzten Deadline vom 20. Juli.

Angst vor der Bombe

Der wichtigste Knackpunkt bei den Verhandlungen im Palais Coburg: Die internationale Staatengemeinschaft will verhindern, dass der Iran innerhalb kurzer Zeit größere Mengen des spaltbaren, bombenfähigen Uran-Isotops 235U anreichern kann. Die weitaus größere Menge des im Bergbau abgebauten Urans besteht nämlich vorwiegend aus dem etwas schwereren, für Nuklearindustrie und Nuklearwaffentechnik nicht brauchbaren Uran-Isotops 238U. Um die beiden Isotope des Elements zu trennen, wandelt man Uran in einem chemischen Prozess in eine gasförmige Verbindung um, und trennt die beiden ungleich schweren Uran-Isotope dann in Kaskaden von Gas-Zentrifugen. Das gewonnene 235U kann dann für Brennstäbe in Kernkraftwerken oder aber für den Bau von Atombomben verwendet werden. Darum auch der Streit um die Anzahl der Gaszentrifugen. Mehr Zentrifugen erhöhen die Gefahr, dass der Iran im Bedarfsfall schnell an das nötige bombenfähige Material gelangt. Und genau deshalb will die Staatengemeinschaft die Zahl der iranischen Gaszentrifugen begrenzen, was Teheran wiederum als Eingriff in sein Recht der friedlichen Nutzung der Kernenergie sieht.

Der Iran hat zudem einige Zeit versucht, seine Anreicherungskapazitäten vor der internationalen Staatengemeinschaft geheim zu halten. Der Westen beschuldigt seither den Iran, sein ziviles Nuklearprogramm für militärische Zwecke zu missbrauchen, um eines Tages die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe zu erlangen. Der Iran ist aber Mitglied des Atomwaffensperrvertrages und hat sich vertraglich gebunden, keine nukleare Bewaffnung anzustreben. Eine iranische Atombombe wäre aber nicht nur eine Bedrohung für Israel (das den Atomwaffensperrvertrag nicht ratifiziert hat und auch nuklear bewaffnet ist), sondern auch für die arabischen Staaten am Persischen Golf, die mit dem Iran verfeindet sind. Hätte der Iran die Bombe, wäre ein nukleares Wettrüsten mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder der Türkei zu befürchten.

Der Iran muss wegen seiner Verstöße gegen die internationalen Regeln derzeit empfindliche Sanktionen hinnehmen. Die Regierung des Reformers Hassan Rohani in Teheran will nun das Sanktionenregime abschütteln und auch die USA haben seit der Präsidentschaft von Barack Obama ein gesteigertes Interesse, die Isolation des Landes zu beenden.

In Washington ist auch immer wieder die Rede von einem "Grand Bargain", in dem nicht nur die nuklearen Differenzen mit den USA, sondern auch andere wunde Punkte gelöst werden. Seit der US-Alliierte Schah Reza Pahlevi 1979 von der islamischen Revolution von Ayatollah Ruhollah Khomeini hinweggefegt wurde und vom 4. November 1979 bis zum 20. Januar 1981 52 US-Diplomaten 444 Tage lang von Khomeini-treuen iranischen Studenten als Geiseln gehalten wurden, sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern empfindlich gestört. Die USA haben im Gegenzug während des Irak-Iran-Krieges den irakischen Diktator Saddam Hussein im Krieg gegen den Iran unterstützt. In den Konflikt im Irak ist der Iran ebenfalls verwickelt und unterstützt - wie Washington - die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad.

Reset in den Beziehungen?

Eine Einigung im Atomstreit wird von Optimisten als Möglichkeit gesehen, die Reset-Taste in den Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen zu drücken.

Die Wirtschaft wittert bereits das große Geschäft: Auch österreichische Unternehmen können das Ende der Sanktionen gegen den Iran kaum erwarten, erst vor kurzem besuchte Außenminister Sebastian Kurz den Iran und für den Herbst in ein Staatsbesuch des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer mit einer großen Wirtschaftsdelegation im Schlepptau geplant.

Für den Iran, der mit einer großen Delegation in Wien ist, geht es besonders um die Lockerung der westlichen Wirtschaftssanktionen. Allen voran das Öl- und Gasembargo der EU will Teheran so rasch als möglich suspendiert haben. Zudem will die iranische Seite über die Wiederaufnahme des Iran in das internationale Finanztransaktionssystem Swift und die Lockerung der Strafmaßnahmen gegen die sieben wichtigsten iranischen Banken, vor allem der Staatsbank Bank-e-Melli verhandeln. Der Iran will diese Sanktionen im Fall einer Einigung sofort vom Tisch haben - der Westen hat es weniger eilig und will auch über eine effiziente Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen Teherans durch die in Wien ansässige Atomenergiebehörde (IAEA) reden. Eine weitere noch offene Frage ist, wie lange das Abkommen gelten soll, das strengere Maßstäbe am Iran als an den anderen Mitgliedern des Atomwaffensperrvertrags anlegt. Der Westen verlangt eine Frist von zehn bis 20 Jahren, der Iran will sich für maximal fünf Jahre diesen Regeln unterwerfen und dann wie jedes andere Land behandelt werden.

Am Freitag meldete sich auch das irankritische Bündnis "Stop the Bomb" zu Wort: "Das sich abzeichnende Abkommen würde keine Beendigung der Bedrohungen bedeuten, die vom iranischen Nuklearwaffenprogramm ausgehen, sondern ihre dauerhafte Institutionalisierung meint Stefan Schaden, Sprecher des Bündnisses zur "Wiener Zeitung". Demonstrationen gegen die Verhandlungen hatte "Stop the Bomb" am Freitag noch keine geplant.

Das österreichische Außenministerium erfreut sich an der Gastgeberrolle bei diesem Treffen, für das rund 60 Beamte abgestellt wurden, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren: Die Iran Gespräche finden, so betont man am Minoritenplatz, auf Angebot von Bundesminister Sebastian Kurz und dem anschließenden Ersuchen von Catherine Ashton in Wien statt. Es wird erwartet, dass Außenminister Kurz mit einigen der anreisenden Gäste zu Vieraugengesprächen zusammentreffen wird. Die Rolle Wiens als diplomatischer Standort sei durch diese hochrangigen Verhandlungen gestärkt, heißt es aus dem Kabinett von Minister Kurz.