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Der Wiener, eine gefährdete Tierart

Von Judith Belfkih

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Die Wiener und das Welterbe führen seit einiger Zeit eine nicht ganz so erquickliche Debatte: der umstrittene Hochhaus-Bau am Heumarkt auf der einen, der Canaletto-Blick vom Belvedere auf die Innenstadt und die drohende Aberkennung des Titels auf der anderen Seite. Seit diesem Jahr hat die Unesco das historische Zentrum Wiens auf die Liste gefährdeter Arten, Pardon Welterbestätten gesetzt. Der empörte Aufschrei darüber war genauso groß wie die gähnende Gleichgültigkeit.

Sollte Wien der Titel wirklich aberkannt werden, gibt es seit heute einen kleinen Trost: Der Wiener Walzer - gespielt, gesungen oder getanzt - ist in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Und dort wimmelt es nur so vor Wienern: Der Wiener Walzer, die Wiener Kaffeehauskultur, die Sangestradition der Wiener Sängerknaben, die Wiener Stimmung und Spielweise der Zither, die Reitkunst der Hofreitschule und nicht zu vergessen: der Wiener Dudler haben es schon auf diese Liste geschafft. Wer derart im Vollen sitzt, kann gut gelassen bleiben. 103 Eintragungen aus Österreich umfasst die Liste insgesamt, unter anderem Bräuche und Fertigkeiten wie das Hundstoaranggeln, das Axamer Wampelerreiten oder die Trattenbacher Taschenfeitel-Erzeugung. Die Liste ließe sich natürlich erweitern, wenn nötig um weitere Wiener, um den drohenden Gesichtsverlust zu kompensieren:

Wiener Schmäh, Wiener Gemütlichkeit, das Wienerische, die Wiener Schimpfkultur, Wiener Schnitzel, Wienerlied, Wiener Würstelstand, Wiener Original - bis jede einzelne Wienerin und jeder Wiener zum ganz materiellen Welterbe geworden sind.