"Mehr als 90 Prozent der Schulden des Gesamtstaates liegen beim Bund."
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Wien. Der Bund hat vor einem Jahr ein Konsolidierungspaket geschnürt. Dafür muss Wien eine Milliarde Euro einsparen. Denn alle Bundesländer sind laut Stabilitätspakt verpflichtet, 2016 ein Nulldefizit zu erzielen. Für Wien bedeutet das, die Neuverschuldung von 541 Millionen Euro im Jahr 2011 bis 2016 auf null zu drosseln, und die Stadt hat sich sogar vorgenommen, Rücklagen zu bilden. Gespart werden soll vor allem mit strukturellen Maßnahmen. Und den größten Brocken soll der Dämpfungspfad im Gesundheitsbereich bringen, Leistungskürzungen soll es dabei keine geben.
Welche Auswirkungen das Sparpaket auf die Budgetpolitik hat, erklären Wiens Finanzdirektor Richard Neidinger und der Leiter der MA 5 (Finanzwesen), Dietmar Griebler, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
In Zeiten der Hochkonjunktur (2001 bis 2003 hat die Stadt rund 500 Millionen Euro Schulden abgebaut) konnte laut Neidinger für die Budgeterstellung noch von einem "Zero-Budgeting" ausgegangen werden: Es wurde also jedes Jahr ermittelt, wie viel die einzelnen Ressorts mit ihren Abteilungen benötigten, und dies dann den Einnahmen, Steuern, Gebühren und gemeinschaftlichen Bundesabgaben gegenübergestellt. In dieser Gegenüberstellung ergaben sich laut dem Finanzdirektor Freiräume, die man dann entsprechend den Prioritätensetzungen der Regierung zuordnen konnte.
"Wenn aber keine Überschüsse erzielt werden, wie das etwa heute in der Krise der Fall ist, dann muss man entweder einnahmenseitig etwas suchen, was sehr schwierig ist. Oder man versucht, im Ausgabenbereich mit Strukturreformen effizienter zu werden. Wirtschaftsstützende Maßnahmen zurückzufahren ist weniger sinnvoll", sagt Neidinger. Vielmehr sei man bemüht, zwar die Leistung an der Bevölkerung weiter aufrecht zu erhalten, aber gegebenenfalls beim eigenen Standard anzusetzen. Anlassbezogene Schwerpunktsetzungen auf der einen Seite und Strukturreformen auf der anderen Seite würden die nötige Flexibilität ermöglichen, meint der Finanzdirektor.
In Zeiten der Krise steigen zum Beispiel die Kosten für den Sozialbereich. "Seit der Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist in den Krisenjahren 2010 bis 2012 die Zahl der Anspruchsberechtigten deutlich gestiegen - und zwar von 110.000 auf 160.000", bestätigt Neidinger. In Zahlen gegossen ist das eine Steigerung von 280 Millionen auf 420 Millionen Euro. Allerdings rechnet er mit einer Verflachung der "exponenziellen Erhöhungskurve", selbst wenn die wirtschaftliche Situation vorerst unverändert bleiben sollte.
60 Prozent Personalkosten
Zu berücksichtigen sind auch die diversen Fixkosten, Aktivgehälter und Pensionen, die 60 Prozent des Gesamtbudgets ausmachen. Weitere 20 Prozent nehmen die "sinnvoll notwendigen" Posten ein. Und darauf kommt dann ein Großteil des Investitionsbudgets. Plus minus 5 Prozent oder rund 600 Millionen Euro bleiben schließlich übrig für die "politischen Prioritätensetzungen" - wovon wiederum auch Teile für eine mögliche Rücklagenbildung verwendet werden können, rechnet der Experte vor.
Wiens Budgetvolumen umfasst 12 Milliarden Euro, 1 Milliarde oder 8 Prozent kommen davon vom Bund - in Form von Zweckzuschüssen, Bundeszuschüssen, Mittel für den U-Bahnbau und die Landeslehrer. Die gemeinschaftlichen Bundesabgaben liegen für Wien bei 5,3 Milliarden von insgesamt 12 Milliarden Euro, was in etwa 40 Prozent des Gesamtbudgetvolumens entspricht.
Der Schuldenstand der Stadt Wien resultiert zu nicht einmal 40 Prozent in Schweizer Franken, der Rest in Euro. "Hier muss man aber dazu sagen: Wenn wir alle Zinsersparnisse, die wir seit 1984 aus dem Schweizer Franken erzielt haben, auf den Tilgungskurs umlegen, ergibt sich ein Break-Even-Kurs von knapp 1, das heißt Parität zwischen Euro und Schweizer Franken. Das bedeutet: Zieht man den heutigen Wechselkurs von 1,23 heran, hat die Stadt Wien mehr als 300 Millionen Euro Vorteil eingefahren", betont Neidinger.
Und laut Griebler muss sich die Stadt Wien wegen ihres Schuldenstandes nicht verstecken: "Der beträgt rund 4 Milliarden Euro bei einem Budgetvolumen von 12 Milliarden. Und dann gibt es den Bund mit einem Haushaltsvolumen von rund 70 Milliarden Euro und Schulden von mehreren 100 Milliarden: Mehr als 90 Prozent der Schulden des Gesamtstaates liegen beim Bund - und alle stürzen sich auf die Länder und Gemeinden, die angeblich am Tropf des Bundes hängen. Das ist eine Skurrilität."
Zarte Pflänzchen
Der Konsolidierungskurs sei auf jeden Fall zu schaffen, sind die Experten überzeugt. Denn die Geschichte habe gezeigt, dass es nach jedem Abschwung wieder einen Aufschwung gibt. Zarte Pflänzchen, die ein Wachstum ankündigen, seien schon zu erkennen, meint Neidinger.