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Der Wilde Osten besteht weiter

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Dass nur der Staat Autobahnen betreiben kann, wurde einfach vergessen. Foto: bb

EU-Gesetze werden nicht immer voll umgesetzt. | Rechtliche Unsicherheiten bleiben bestehen. | Anwälte als "Übersetzer" für den Behördenweg. | Wien. Dass ein Großindustrieller mit dem Sektionschef eines Ministeriums bei einem Kaffee über die mögliche Vergabe eines öffentlichen Auftrags plaudert - das kennt man auch aus der westlichen Welt. Die Probleme in der Zusammenarbeit oder im Umgang mit Behörden in manchen osteuropäischen Ländern scheinen jedoch etwas tiefer zu liegen.


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Vor kurzem kamen in Wien auf Einladung der Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper Weiss-Tessbach einige Vertreter internationaler Konzerne zusammen und sprachen über ihre Erfahrungen mit öffentlichen Auftragsvergaben in Ländern der Region Zentral- und Osteuropa (kurz CEE genannt).

"In allen CEE-Ländern braucht man viel mehr Hintergrundwissen zu politischen und ökonomischen Zusammenhängen", so Klaus Steinmaurer, General Counsel von T-Mobile Austria. Besonders weil viele regulatorische Entwicklungen sich nach den Wünschen der Politiker richten, welche stark von einem Wachstumsgedanken getrieben sind, wie andere Teilnehmer bei der Veranstaltung festhielten.

Panik, zurückzubleiben

"Viele CEE-Ländern fürchten sich davor, hintennach zu hinken oder vergessen zu werden, und sie befürchten, dass Firmen Investitionspläne zurückziehen könnten", ist Miklos Orban, Director of Regulation für den CEE-Raum für die British-Telecom überzeugt. Daraus ergibt sich für multinationale Konzerne ein großes Einflusspotenzial.

"Oftmals sind Gesetze in diesen Ländern vor dem Beitritt zur EU nur rasch eingeführt worden, um die Kriterien zu erfüllen, ohne dass sie voll verstanden wurden", erläuterte Marian Dinu von DLA Piper in Rumänien. Eines der daraus entstehenden Probleme ist, dass einige Entwicklungen nicht durch den Markt sondern die Regulatorien getrieben sind, wie andere Anwesende betonten. Außerdem seien "Behörden in den CEE-Ländern meistens eher reaktiv, während ihre Kollegen im Westen proaktiver sind", erklärte Orban.

"Die Gas-Krise ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie viel Einfluss die Politik auf den Energie-Sektor hat", so Stefan Stockinger, Head of Legal bei OMV Gas & Power. Bereits zum zweiten Mal hatte heuer Russland vorübergehend durch Nachbarländer gehende Gaslieferungen an Europa gestoppt.

Spürbare Entfernung

"Je weiter man in den Süden kommt, desto schlimmer wird es", berichtete Alexander Demblin, Head of International Legal Department bei Porr, über die Unsicherheiten bei Gesetzesauslegungen. Während zum Beispiel Polen bereits sehr nahe an den westlichen Standards ist, sei die tatsächliche Umsetzung von Gesetzen am Balkan noch immer etwas schwierig.

Bei einem von der öffentlichen Hand eines Landes in dieser Region vergebenen Auftrag ist es für die österreichische Baufirma auch tatsächlich zu Schwierigkeiten gekommen: Der Vertrag lautete auf Bau und Betrieb einer Autobahn. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass nur staatliche Unternehmen als Autobahnbetreiber fungieren können. "Das wurde einfach vergessen", stöhnte Demblin.

Am Ende wurde der Vertrag von der Regierung aus gekündigt und es wird versucht, sich außergerichtlich zu einigen. "Wir hätten mit der Regierung direkt verhandeln sollen", sagt Demblin im Nachhinein.

Durch alle Sektoren

Auch in der Telekommunikationsbranche kommt es immer wieder zu solchen Streitfragen, weiß Steinmaurer. So war etwa in Polen nicht von Anfang an klar, ob der T-Mobile Konzern den Mobilfunkbetreiber PTC auch wirklich übernehmen kann. "Der Streit zog sich über neun Jahre", so Steinmauer.

Einige Anwesende zeigten sich überzeugt, dass es in manchen Fällen wahrscheinlich einfacher ist, vor Gericht zu gehen, wenn eine außergerichtliche Einigung zu schwierig zu erreichen ist.

Auch an die Rechtsanwälte von Firmen ergeben sich dadurch neue Aufgaben, erläuterte David Bauer von DLA Piper Österreich. "Firmen müssen immer öfter mit Behörden und Ämtern direkt verhandeln" - und dazu brauchen sie sozusagen "Übersetzer". Ein Beispiel aus der Praxis ist für Bauer der Umstand, dass immer mehr Firmen im Finanzsektor Anwälte bitten, die rechtlichen Auswirkungen und Hintergründe der Bankenbestimmungen Basel III, bei denen es vor allem um einen erhöhten Eigenmittelbedarf geht, zu erklären. Auch wenn das Thema selbst nur am Rande ein rechtliches ist.

Umgang mit Medien

Fulceri Bruni Roccia, früher bei der Europäischen Investment Bank und jetzt an der Universität von Bologna, fügte hinzu, dass Unternehmen auch in anderen Bereichen mehr Unterstützung brauchen. Etwa im Umgang mit Medien, aber auch wenn es um politisch heikle Verhandlungen geht. Hier seien Anwälte mit Feingefühl gefragt.