In den USA wurden der Selbstfahr-Branche bisher kaum Zügel angelegt. Nach dem tödlichen Unfall unter Beteiligung eines Uber-Roboter-Autos in Arizona dürfte sich das aber nun ändern.
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Tempe. Was genau am Sonntagabend in der im US-Bundesstaat Arizona gelegenen Stadt Tempe geschehen ist, wird wohl erst restlos geklärt sein, wenn die hinzugezogenen Spezialermittler der Verkehrsbehörde NHTSA ihre Arbeit abgeschlossen haben. Doch bereits jetzt gibt es einige Indizien dafür, dass nicht die dahinterstehende Technik verantwortlich für den ersten tödlichen Unfall mit einem Roboter-Auto ist. Laut Sylvia Moir, der Polizeichefin von Tempe, ist die von einem Fahrzeug des Fahrdienstvermittlers Uber erfasste Elaine Herzberg "direkt aus dem Schatten auf die Straße getreten". Eine erste Auswertung des von den Bordsystemen des Roboter-Autos aufgezeichneten Videos hätte zudem ergeben, dass auch der menschliche Fahrer, der die Fahrt an Bord des umgebauten Volvo-Geländewagens überwacht hat, kaum anders hätte reagieren können, als die 49-Jährige plötzlich mit ihrem von Hand geschobenen Fahrrad auf der Fahrbahn auftauchte. "Es ist klar, dass dieser Zusammenstoß in jedem Modus, ob autonom oder manuell, schwer zu verhindern gewesen wäre", sagte Moir dem "San Francisco Chronicle".
Doch auch wenn Uber keine Schuld am Tod von Herzberg treffen sollte, dürfte der Unfall von Tempe nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung selbstfahrender Autos haben. Denn der Vorfall wirft vor allem ein Schlaglicht auf die bisherigen Lücken bei der Regulierung jener Technologie, die sowohl von den traditionellen Autobauern als auch den Silicon-Valley-Riesen als Zukunft der Mobilität und als enormes Profitversprechen begriffen wird.
So hat vor allem Arizona die Erprobung von selbstfahrenden Autos als lukratives Geschäftsmodell für sich entdeckt. Der Wüstenbundesstaat, der mit seinem warmen und niederschlagsarmen Klima ein ideales Testlabor darstellt, legte den Entwicklern bei ihren Probefahrten kaum Beschränkungen auf, gleichzeitig wurden Autokonzerne und Start-ups in den vergangenen Jahren auch ganz gezielt angelockt. Uber tauchte etwa im Jahr 2016 in Arizona auf, nachdem in Kalifornien der Streit mit der dortigen Regulierungsbehörde über Testlizenzen immer heftiger geworden war.
"Arizona ist der Wilden Westen für die Erprobung von Roboter-Autos", sagt John M. Simpson von der US-Konsumentenschutzorganisation Consumer Watchdog, die sich schon in der Vergangenheit immer wieder für eine viel stärkere Regulierung der Branche ausgesprochen hat. Anders als etwa in Kalifornien müssten die Unternehmen in Arizona nicht einmal ein Protokoll darüber führen, wie oft die menschlichen Fahrer, die zur Sicherheit mit an Bord der mittlerweile 600 Roboter-Autos sind, eingreifen müssen, um Unfälle oder eine Übertretung der Verkehrsregeln zu verhindern.
Skepsis in der Politik wächst
Dass es nicht mehr so weitergehen kann, scheint für viele Politiker mittlerweile klar. "Der tragische Unfall unterstreicht, warum wir besonders vorsichtig sein müssen, wenn wir autonome Fahrzeuge auf öffentliche Straßen lassen", sagte etwa Senator Edward Markey, der für die Demokraten im nationalen Verkehrsausschuss sitzt. Auch die einflussreiche kalifornische Senatorin Dianne Feinstein äußerte Bedenken. "Der Kongress muss sich mit diesem Thema ausführlich befassen und die Sicherheit von selbstfahrenden Auto gewährleisten", sagte Feinstein. "Ich glaube aber, dass wir uns im Augenblick noch nicht ausführlich genug damit beschäftigt haben."
Mit der wachsenden Skepsis der Senatoren dürfe es nun auch deutlich schwieriger werden, ein bereits vom Repräsentantenhaus verabschiedetes Bundesgesetz zur Regulierung von selbstfahrenden Autos durch die zweite Kammer zu bringen. Denn die bisher vorliegende Fassung bedient vor allem die Wünsche der Roboter-Auto-Branche, die zuvor mit dem Verweis auf die erwartete Reduktion bei den Verkehrstoten intensiv für ihre Interessen lobbyiert hatte. So soll mit der geplanten Regelung verhindert werden, dass einzelne Bundesstaaten in Eigenregie strengere Bestimmungen erlassen, um die Unternehmen an die kurze Leine zu nehmen. Die Hersteller wären zudem von vielen national geltenden Sicherheitsstandards ausgenommen, um neue Design-Ideen und Technologien ausprobieren zu können.
Als fortschrittsfeindliche Verhinderer dürften die Senatoren wenige Monate vor den wichtigen Midterm-Elections aber wohl kaum wahrgenommen werden. Denn nach der Amtszeit von Barack Obama schlägt das Pendel im Augenblick wieder gegen Tech-Giganten wie Google oder Facebook aus. So wird nicht nur in akademischen Zirkeln unter dem Titel "Techlash" darüber diskutiert, ob die einst so hochgejubelten IT-Firmen nicht mehr bereit sind, die Verantwortung für ihr Technologien zu übernehmen. Auch viele normale US-Bürger sehen die Silicon-Valley-Unternehmen angesichts ihrer enormen Datensammelwut und Marktmacht zunehmend kritisch.