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Der Streit um die Zurechnungsfähigkeit der reichsten Frau Frankreichs wird zur Staatsaffäre. | Steuerbetrug der LOreal-Erbin bringt Minister unter Druck. | Paris. Porzellan-Geklapper, Stühle-Rücken, irgendwo bellt ein Hund. Es ist kurz vor Mittag in einer vornehmen Villa im Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine.
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Kräftige Herrenstimmen sind zu hören und die gedämpften Töne einer älteren Dame. Die 87-jährige Milliardärin Liliane Bettencourt bespricht sich mit ihren Beratern. Leise Unterhaltungen, die nun einen lauten Donner verursacht haben. Denn der langjährige Butler der LOréal-Erbin hat ihre Gespräche ein Jahr lang heimlich mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und das Material deren Tochter Françoise Bettencourt-Meyers übergeben, die damit zur Polizei ging. Auszüge davon gelangten in die Öffentlichkeit - und diese urteilt nun, noch bevor es der Richter beim Bettencourt-Prozess tun kann, der am morgigen Donnerstag beginnt.
Bettencourt-Meyers klagt darin gegen den Fotografen und Autor François-Marie Banier, der die Großzügigkeit und Freundschaft ihrer Mutter über Jahre hinweg ausgenutzt haben soll, um Geschenke und Lebensversicherungen im Wert von 993 Millionen Euro zu erschleichen. Ein Justiz-Streit um die Milliarden von Europas reichster Frau, die darauf pocht, sie könne mit ihrem Geld tun, was sie wolle. Aber wollte sie wirklich alles, was sie damit tat? Ihre Tochter bezweifelt, dass die 87-Jährige noch Herrin ihrer Sinne ist, scheiterte aber mit dem Versuch, sie für unmündig erklären lassen.
"Woerth ist sehr nett"
Der Prozess, der schon allein unter diesen Rahmenbedingungen spektakulär genug gewesen wäre, hat in den vergangenen Tagen aber auch noch eine politische Dimension bekommen. Denn die Mitschnitte wecken nicht nur den Verdacht der Steuerhinterziehung im großen Stil, sondern bringen auch den ehemaligen Finanz- und aktuellen Arbeitsminister Eric Woerth in Kalamitäten.
Der 54-jährige Konservative, der gute Kontakte zu Bettencourts Hauptberater Patrice de Maistre pflegte, muss sich fragen lassen, ob er etwas über die nicht deklarierten 78 Millionen Euro, die auf Bettencourts Schweizer Konten lagen, und die Seychellen-Insel Arros wusste. Auch darüber hinaus wird Woerth, der sich in seiner vorherigen Position als Jäger der Steuersünder hervorgetan hat, von der Opposition verdächtigt, gegenüber Frankreichs Privat-Steuerzahlerin Nummer eins nachsichtig gewesen zu sein. Denn obwohl die Behörden das Steuergebaren des reich beschenkten Hausfreunds Banier prüften, ließen sie Bettencourt, deren Gesamtvermögen mit 17 Milliarden Euro beziffert wird, unbehelligt.
"Woerth ist sehr nett, und er ist es, der sich um ihre Steuern kümmert", erklärt De Maistre auf einem der Tonbänder vielsagend. Von Vorteil sei es zudem, dass Woerths Frau Florence bei Clymène arbeite, einer Bettencourt gehörenden Gesellschaft, die einen Teil ihres Vermögen verwaltet. Nur zu gut passt es da für die Opposition ins Bild, dass Woerth auch die Parteispenden für die Regierungspartei UMP verwaltet und Bettencourt hier stets großzügig war. Woerth hat zwar alle Vorwürfe energisch zurückgewiesen und seine Frau hat mittlerweile auch ihren Job gekündigt, doch der Schaden scheint nicht mehr so leicht gutzumachen. Der sozialistische Ex-Finanzminister Laurent Fabius spricht denn bereits auch von "Plutokratie", der Herrschaft des Geldadels. Präsident Nicolas Sarkozy stellt sich freilich hinter seinen Arbeitsminister, seinem wichtigsten Mann bei der umstrittenen Rentenreform. Er vertraue Woerth "absolut und total".
Dabei wollte der Butler mit seinen Mitschnitten wohl keine Staatsaffäre provozieren. Er habe nicht mehr ertragen, wie seine Dienstherrin ausgenutzt wurde, sagte er aus. Den Verdacht Liliane Bettencourts, ihre Tochter habe ihn beauftragt, weist diese in einem Interview zurück. Sie beklagt darin die manipulative Art des Charmeurs Banier, der sie und ihre Mutter entzweit habe. So habe Banier etwa versucht, sich von der 87-Jährigen adoptieren zu lassen.
Die Aufnahmen stützen Bettencourt-Meyers These, ihre Mutter gebe nicht nur aus freien Stücken, sondern unter dem Einfluss ihrer Vertrauten, die ihre Finanzen komplett regeln und sie bisweilen daran erinnern müssen, welche Zugeständnisse sie Banier bereits gemacht hat. Er sei brillant, aber "töte" sie, sagte Bettencourt einmal. "Wenn er etwas will.. ." Die Aufnahmen, wenn auch auf illegale Weise beschafft, sollen beim Prozess als Beweismaterial gelten.