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Eine Abrechnung mit der Regierung - und da vor allem mit der ÖVP - war der erste Tag des 38. ordentlichen Bundesparteitages der SPÖ gestern im Wiener Austria Center. "Aus und Schluss", rief Wiens Bürgermeister als Gastgeber in seiner Begrüßung den 644 Delegierten und etwa 700 Gästen zu. Und SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer, der mit 88,93 Prozent zum dritten Mal gewählt wurde, bezeichnete die Regierung als "Truppe des Versagens": "Sie muss abgewählt werden."
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Eher nüchtern wurde der Parteitag ausgerichtet. Vereinzelte weiße Lilien im Hintergrund des Podiums, dezente Jazzmusik zu Beginn, dafür sehr viel Applaus für die Gäste: darunter die Alt-Bundeskanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky - Viktor Klima fehlte. Den meisten Applaus erhielt die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal, die diese Ehrung sichtlich gerührt entgegen nahm.
Hausherr Michael Häupl bereitete die Stimmung auf. Nicht jede Verfehlung der Regierung wurde aufgelistet: "Ihr kennt es, was in diesen vier Jahren angerichtet wurde, was zerstört wurde in diesem Land." Konkreter ging Häupl auf den Hauptverband und das jetzt diskutierte neue ÖH-Gesetz ein. Die Regierung agiere nach dem Motto: "Wo uns das Wahlergebnis nicht passt, schaffen wir sicherheitshalber die Wahlen ab." Die SPÖ sei jedenfalls "inhaltlich und organisatorisch" vorbereitet, Regierungsverantwortung zu übernehmen, sagte Häupl. Die SPÖ sieht er nach der nächsten Wahl als Nummer eins mit Gusenbauer als Bundeskanzler. Denn "wenn man dieses Land wirklich liebt, muss man es aus der schwarz-blauen Geiselhaft befreien". Dafür erhielt Häupl "Bravo"-Rufe.
Ein kurzer Film über die vergangenen Wahlerfolge der SPÖ von Salzburg über Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg bis hin zur AK-Wahl bildete den Übergang zum Hauptreferat Gusenbauers, das 65 Minuten lang dauerte. Auch Gusenbauer konzentrierte sich auf Regierungskritik, vermittelte allerdings durchgängig die Werte der SPÖ: "Gerechtigkeit", war dabei eines der am häufigsten verwendeten Wörter.
Die Regierung habe ihre Chance gehabt, sie habe sie verwirkt: "Die FPÖ verrät die kleinen Leute, die sie in ihren Sonntagsreden so gern beschwört. Die ÖVP verrät ihre christlich-sozialen Wurzeln. Beide bedienen nur ihre jeweiligen Interessengruppen, frei nach dem Motto: Viel für Wenige, wenig für Viele", polterte Gusenbauer. "Diese Regierung muss abgewählt werden."
Inhaltlich spannte der Vorsitzende den Bogen vom Wirtschaftsprogramm über Bildung, Gesundheit, das Sozialprogramm und die Außenpolitik. Um zum Schluss auf die "harte Lektion" der Oppositionsrolle zu kommen. Aber alle hätten daraus gelernt und er sei "mit Leib und Seele Vorsitzender". Außer seiner Familie bedeute ihm nichts "nur ansatzweise so viel".
Die Partei dankte es ihm mit einem Votum von 88,93 Prozent - gegenüber 99,6 Prozent während des Wahlkampfes 2002 und 96 Prozent 2000.