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Der Wirtschafts-Contest in Baku

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Der Boom in der GUS-Republik sorgt für eine Lawine an Großaufträgen.


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Die am Kaspischen Meer gelegene Zwei-Millionen-Metropole Baku peilt einen Weltrekord an: In unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Aserbaidschans soll auf einer künstlichen Insel, die noch aufgeschüttet werden muss, ein rund ein Kilometer hoher Wolkenkratzer gebaut werden. Das imposante Businesscenter, das 2019 stehen soll, würde den 828 Meter hohen Skyscraper Burj Khalifa in Dubai als weltweites Gebäude der Superlative ablösen. Er wäre auch ein paar Meter höher als der bereits in Bau befindliche Kingdom Tower, der in der saudi-arabischen Hafenstadt Jeddah für 1,2 Milliarden Dollar bis 2017 in den Himmel wachsen wird.

Sollte die Avesta Group des aserbaidschanischen Geschäftsmannes Haji Ibrahim Nehramli als Projektentwickler das Monstervorhaben realisieren, wäre der 185 Stockwerke hohe Aserbaidschan-Tower nicht bloß ein Monument der Gigantomanie, sondern auch ein Symbol für das Wirtschaftswunder, das der einstigen Sowjetrepublik einen rasanten Höhenflug bescherte. Der Binnenstaat zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus, flächenmäßig in etwa so groß wie Österreich, schaffte von 2003 bis 2009 ein Wirtschaftswachstum von 140 Prozent. Auch wenn die Zuwächse seither magerer ausfielen, rast der öl- und gasreiche GUS-Staat mit Vollgas in die Zukunft.

Die Hauptstadt Baku, wo im Mai der Eurovision Song Contest stattfindet, ist seit Jahren eine riesige Baustelle, wo unentwegt Bürogebäude, Hotels, Shoppingmalls, Veranstaltungshallen und Straßen aus dem Boden gestampft werden. Auch Spitäler, Museen und Parks schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Der enorme Ausbau der Ölförderung seit 2005, die steigenden Exporteinnahmen und die hohen Leistungsbilanzüberschüsse haben der Kaukasus-Republik zu diesem beachtlichen Boom verholfen. Österreichs Wirtschaftsdelegierter Dietmar Fellner: "Die Konkurrenz aus anderen Ländern ist enorm, sodass wir es nicht leicht haben."

Öl-Boom bis 2014

Aserbaidschan, das im Norden an Russland, im Nordwesten an Georgien, im Süden an den Iran und im Westen an Armenien grenzt, schwimmt bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Erdöl hoher Qualität. Heute zählt das Land, das 1991 von der damaligen Sowjetunion unabhängig wurde, zu den 20 größten Öl- und Gasproduzenten der Welt. Dieser Wirtschaftszweig, der zurzeit fast 70 Prozent Anteil am BIP stellt und auf einen Anteil von fast 90 Prozent an den Gesamtexporten kommt, wird Prognosen zufolge erst 2014 ein Rekordniveau erreichen. Dann sollen die Förderkapazitäten für Erdgas erheblich ausgebaut werden. Die Vorräte reichen laut Experten rund 25 Jahre.

Heuer wird Aserbaidschan 45 Millionen Tonnen Erdöl und rund 26 Milliarden Kubikmeter Erdgas fördern, was dem Land weit mehr als 30 Milliarden Dollar bringen wird. Die 1992 gegründete staatliche Socar besitzt das Gros der 61 Öl- und Gasförderstätten, betreibt die beiden Raffinerien des Landes, vermarktet die verarbeiteten Produkte und ist an den wichtigsten Pipelines beteiligt. Das schwarze Gold aus Baku, das via Georgien und die Türkei in den Westen fließt, hat das Öl-Dorado laut Weltbank zum Top-Performer unter den Nachfolgestaaten des einstigen Sowjetimperiums gemacht. Ein Teil der Öl- und Gaseinnahmen fließen in einen Staatsfonds namens Sofaz (State Oil Fund of Azerbaijan), der rund 30 Milliarden Dollar schwer ist. Er soll nicht nur Sozial- und Bildungsprogramme finanzieren, sondern auch gezielt in die übrigen Wirtschaftsbereiche sowie den Ausbau der Infrastruktur investieren, damit das Land künftig nicht so stark von Öl und Gas abhängig ist. Die Profiteure sind vor allem die Bau-, Transport- und Telekommunikationsbranche.

Ilham Aliyev, der 50-jährige Präsident des autokratisch geführten Landes, pflegt wichtige Wirtschaftsentscheidungen persönlich zu treffen. Als Sohn des Staatsgründers Heydar Aliyev war er zunächst der landeseigenen Ölgesellschaft vorgestanden, ehe er Abgeordneter, Premierminister und Staatsoberhaupt wurde. Der schnurrbärtige Politiker, der fünf Sprachen spricht, residiert im 12-stöckigen ehemaligen Hauptquartier des KP-Zentralkomitees, dem heutigen Präsidentenpalast, wo er auf Lebenszeit regieren kann, seit die Begrenzung der Präsidentschaft auf zwei Perioden per Referendum abgeschafft wurde. Der Aliyev-Clan kontrolliert obendrein den führenden Projektentwickler Pasha Construction, womit im Neun-Millionen-Einwohner-Staat praktisch nichts ohne den Präsidenten geht.

Aliyev sorgt für Spannung

Die Regierung in Baku, die geschickt zwischen Russland und Westeuropa, Orient und Okzident hin und her laviert, schwimmt auf einer beachtlichen Erfolgswelle. Die strategischen Reserven belaufen sich, vor allem dank des Ölfonds Sofaz, auf mehr als 40 Milliarden Dollar, die Auslandsverschuldung ist mit etwa acht Prozent des BIP relativ niedrig, und das Haushaltsdefizit ist mit rund einem Prozent durchaus im Griff. Allerdings waren die ausländischen Direktinvestitionen in Aserbaidschan, von 1995 bis 2010 etwa 45 Milliarden Dollar, zuletzt rückläufig. Dennoch stellen sich Firmen - in erster Linie Türken, Amerikaner, Russen, Chinesen, Briten und Franzosen - in Baku um Aufträge an.

Österreichische Firmen sind, weil Aserbaidschan vielfach als unbeschriebenes Blatt irgendwo am Ende der Welt gilt, nur selektiv am Ball. Zu den Pionieren, darunter die üblichen Verdächtigen wie OMV, Siemens Österreich oder Waagner-Biro, zählt auch die Leondinger Malerwerkstätte Hirsch. Sie hat 2010 in Baku ihre achte Auslandsniederlassung gegründet und kam beim Bau des monströsen Port Baku Towers zum Zug. Firmenchef Otto Hirsch, der bereits weitere Projekte verhandelt, malt sich gute Zukunftschancen aus: "Das ist einer der spannendsten Märkte der Welt."

Für Spannung sorgt Aserbaidschan in der Tat: Während die 2009 auf Initiative einiger Wirtschaftstreibender aus beiden Ländern in Wien gegründete Österreichisch-Aserbaidschanische Handelskammer (ATAZ) die Wirtschaftsbeziehungen mit Baku intensivieren möchte, lässt Präsident Aliyev das Firmenkonsortium rund um die OMV, das die Nabucco-Pipeline bauen möchte, seit Jahren zappeln.

Die ausständige Zusage, via Nabucco aserbaidschanisches Gas an die von den Russen abhängigen Europäer verkaufen zu wollen, lässt das US-Magazin "Forbes" glauben, dass dieses Projekt bereits am Widerstand Moskaus gescheitert sei. Auch Wirtschaftsdelegierter Fellner ist skeptisch: "Was da wirklich gespielt wird, ist nicht zu durchschauen."

Aserbaidschan ist für die rot-weiß-rote Wirtschaft ungefähr so wichtig wie Pakistan oder Neuseeland – also nicht besonders. Das bilaterale Außenhandelsvolumen hat sich in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht. Der Bauriese Strabag errichtete das 100 Millionen Euro teure Hotel Marriott im Stadtzentrum von Baku. An der Planung und am Bau des architektonisch ausgeflippten Teppich-Museums, einem 40 Millionen Euro-Projekt, waren das Architekturbüro Hoffmann – Janz ZT, die Eisenstädter Arnetzeder Engineering GmbH und die Wiener Zivilingenieure Gmeiner/Haferl ebenso beteiligt wie die Kärntner Stahl- und Anlagenbaufirma NCA, die eine 650 Tonnen schwere Stahlkonstruktion lieferte. Die Kärntner 100-Mann-Firma baut zurzeit gemeinsam mit dem Salzburger Baukonzern Alpine auch im Blitztempo die Baku Crystal Hall, wo im Mai der Eurovision Song Contest stattfindet.

Erst etwas mehr als 20 österreichische Firmen, darunter die OMV, Siemens und die steirische Mapei Betontechnik, sind in Baku vor Ort präsent. Die Vorarlberger Seilbahnfirma Doppelmayr, die über keine eigene Niederlassung verfügt, lieferte neun Anlagen für ein von Österreichern geplantes Skigebiet im nordöstlichen Bezirk Gusar. Auch kleinere Firmen sichern sich Aufträge: Die Metallbau Heidenbauer GmbH aus Bruck an der Mur hat, ebenso wie die GIG Holding aus Attnang Puchheim, zwei Metro-Stationen in Baku mit Stahltragkonstruktionen bestückt. Die oberösterreichische Firma Wiestrading lieferte rund 2000 Zuchtrinder nach Aserbaidschan. Waagner-Biro errichtet für 60 Millionen Euro ein Gate am Airport, das 2013 fertig sein soll. Das Architektenbüro Coop Himmelb(l)au plante den zwei Türme umfassenden Neubau der aserbaidschanischen Zentralbank, der in den nächsten drei Jahren gebaut wird.