Österreich braucht Reformen bei der Sozialfürsorge. Der Ausbau des Sozialstaates wurde zum Teil durch Staatsverschuldung finanziert.
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"Der Wohlfahrtsstaat am Ende?" Dies war der Titel einer kürzlich vom Renner-Institut organisierten Veranstaltung. Kritisiert wurde der europäische Fiskalpakt, der unter dem Motto "Verschuldungsbremse" eine massive Gefährdung des Sozialstaates und eine Wachstumsbremse darstelle.
Betrachten wir die Situation sine ira et studio.
Der Ausbau des Sozialstaates wurde zum Teil durch Staatsverschuldung finanziert. Das hat schon lange vor der Krise in vielen Ländern zu hohen Verschuldungsquoten geführt, zum Beispiel 1996 fast 70 Prozent in Österreich, sodass heute kaum noch Spielraum für weitere kreditfinanzierte Sozialleistungen besteht.
Gleichzeitig erhöht sich der Finanzierungsbedarf der Pensionsversicherung kräftig durch die steigende Lebenserwartung und die niedrige Geburtenrate. Kostentreiber im Gesundheitssystem ist vor allem der medizintechnische Fortschritt, aber auch die ungünstige Demographie.
Diese Entwicklungen bedeuten, dass sich der BIP-Anteil der für nachhaltiges Wachstum unerlässlichen Zukunftsinvestitionen (Bildung, Forschung, Infrastruktur und Ähnliches) zu Gunsten von Sozialausgaben reduziert. Diese schaffen zwar kurzfristig Nachfrage, aber akzentuieren zusätzlich die sinkende Attraktivität und Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich.
Ist also das Ende des Sozialstaats unausweichlich? Keineswegs. Auch Neoliberale wollen das erfolgreiche europäische Modell nicht abschaffen. Es geht "nur" darum, die Politik zur Anpassung des Sozialstaats an veränderte Rahmenbedingungen zu bringen.
Die Reformnotwendigkeiten in Österreich sind wohlbekannt. Dazu zählt erstens die rasche Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters durch die Abschaffung von Sonderregelungen und durch geschlechtsunabhängige versicherungsmathematische Zu- und Abschläge je nach Versicherungszeiten. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter könnte gestrichen werden. Gleichzeitig bedürfte es einer sozialen Abfederung von Härtefällen und einer breit angelegten Offensive zur Beschäftigungsförderung für ältere Arbeitskräfte.
Zweitens müsste die Berufstätigkeit von Frauen, die dies wünschen, durch den raschen Ausbau von arbeitszeitadäquaten Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen gefördert werden, auch um den Preis der Kürzung von Geldleistungen an Familien.
Da ist drittens die Reform des Gesundheitssystems mit den Eckpunkten Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern, Finanzierung aus einer Hand, kosteneffiziente Abstimmung der Aufgaben des niedergelassenen Bereichs und des Spitalsbereichs und Aufwertung der Hausärzte zu Gatekeepern (also zur ersten Anlaufstelle für Patienten). Dazu käme noch die Beseitigung von Mehrfachförderungen auf Basis der Transparenzdatenbank und von bestehenden Anreizen, keine Arbeit aufzunehmen.
Das wäre es im Wesentlichen. Und das soll das Ende des Wohlfahrtsstaates sein?
Felix Austria!