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Der Wunsch nach anderer Mischung in Brennpunkten

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Politik

Die deutsche Familienministerin ortet eine verstärkte "Deutschenfeindlichkeit" an den Schulen. | Migrationsdebatte ist weniger schrill, geht aber weiter. | Berlin. Ziemlich schrill war, womit in den letzten Monaten manch deutsche Zeitung und Fernsehdiskussion zum Thema Migration aufwartete. Nun wurde es ruhiger - zumindest ein wenig. Thilo Sarrazin taucht nicht mehr täglich in den Medien mit der kruden Behauptung auf, Deutschland verdumme wegen der hier lebenden Muslime. Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder wird sich dagegen am Montag in der ARD-Sendung "Beckmann" erneut zu ihrer These äußern, es gebe eine zunehmende "Deutschenfeindlichkeit" an Schulen.


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Beschimpfen Pubertierende andere Deutsche wirklich als Schweinefresser? - Dass das nicht das zentrale Thema sein kann, wurde am Freitag bei einer Podiumsdiskussion deutlich. Drei deutschstämmige Lehrer und eine Türkei-stämmige Politologin waren sich zunächst einig, dass es schwierig wird für Schüler und Lehrer, wenn es keine Mischung in der Schule gibt: Auch Eltern mit Migrationshintergrund, die dazu in der Lage sind, schicken ihre Kinder lieber in gediegene Bezirke zur Schule als in Neukölln. Auch sie wollen ihren Nachwuchs nicht in einer Klasse haben, in der kaum jemand Deutsch als Muttersprache hat und in der fast alle Eltern Langzeitarbeitslose sind.

Doch anstatt zu benennen, was die Situation verbessern könnte, tauchte nach und nach auch unter den sich betont offen gebenden Diskutanten das "Ihr" und "Wir" auf: Vom "Stillstand im Islam" sprach Christian Mayer, Lehrer an einer Schule in Kreuzberg, und davon, dass die Türkei die Existenz der Aleviten nicht anerkenne. Die guten Dinge wie die Dialogbereitschaft so vieler Moscheen gehe unter, konterte die Politikwissenschafterin Pinar Cetin. Selbstverständlich würde ein Muslim Deutschland in seine Gebete miteinbeziehen. Doch irgendwann kam man dann auf die Machokultur zu sprechen.

Ökonomische Probleme

Evelin Lubig-Fohsel, die jahrelang an einer deutsch-türkischen Schule unterrichtete, wies darauf hin, dass immer wieder sozioökonomische Probleme mit dem Hinweis auf "den Islam" kulturalisiert würden.

Soziologe Hartmut Häußermann schlug vor, Schüler aus allen Bezirken auf sämtliche Schulen zu verteilen. "Natürlich bräuchten wir eine andere Mischung. Brennpunkte dürfte es gar nicht geben. Die Politik hat hier etwas versäumt", sagte Norbert Gundacker von der Lehrergewerkschaft. Einig waren sich dann alle wieder, dass es mehr Personal braucht, mehr Sozialpädagogen, Mediatoren, mehr Lehrer - und eine unaufgeregtere Debatte.