Zum Hauptinhalt springen

Der Zank um die Norm

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Das heftig umstrittene neue Normengesetz soll am 1. Jänner 2016 in Kraft treten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Novellierung des österreichischen Normengesetzes stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Bereits die Reaktionen auf den im Sommer von der Regierung in die Begutachtung geschickten Gesetzesentwurf waren schlicht verheerend. Wirtschaft und Industrie verlangen eine Reihe von Änderungen; internationale Normen-Institutionen wie das Europäische Komitee für Normung (CEN) und die Internationale Organisation für Normung (ISO) drohten die Zusammenarbeit mit Österreich aufzukündigen, und auch das bisher unabhängige Normeninstitut Austrian Standards ASI deponierte seine Bedenken in einer umfangreichen Stellungnahme. Mittlerweile hat das neue Normengesetz den Ministerrat passiert und soll am 1. Jänner 2016 in Kraft treten.

"Mit Austrian Standards Institute wurden, trotz wiederholten Ersuchens, keine Gespräche über den Entwurf zum Normengesetz geführt", bestätigt Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin des Austrian Standards Institute, der "Wiener Zeitung". "Den Entwurf, der am 24. November im Ministerrat und am 2. Dezember im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats behandelt wurde, hat Austrian Standards erst nach der Sitzung des Ministerrats erhalten."

Nach dem besagten Ministerrat bekräftigte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner einmal mehr die Intention der Gesetzesnovelle: "Wir wollen die Transparenz und Steuerung des nationalen Normenwesens verbessern, um die von vielen Wirtschaftstreibenden beklagte Normenflut einzudämmen."

Die Änderungen

Laut dem Regierungsentwurf wird eine Normung in Zukunft nur noch auf Antrag mit konkreten Begründungen erfolgen. Auch die Kosteneffekte müssen sofort transparent gemacht werden. Hochgerechnet soll die Reform künftig eine Ersparnis von 1,7 Millionen Euro pro Jahr bringen. Und: Normen, die vom Bundes- oder einem Landesgesetzgeber verbindlich erklärt werden, sind im gesamten Wortlaut kostenlos zu veröffentlichen.

Wird Normung für Unternehmen also künftig doch billiger und transparenter? "Wie der uns bisher bekannte Entwurf dazu beiträgt, dass Österreich in der europäischen und internationalen Normung weiterhin erfolgreich mitredet, wenn Ressourcen erheblich reduziert werden, ist nicht nachvollziehbar", lautet das strenge Urteil von Elisabeth Stampfl-Blaha. "Was wie und wodurch transparenter werden soll, ist nicht zu sehen."

Eine weitere Eindämmung der "Normenflut" will die Regierung mit dem System der Mandatierung erreichen. Wer einen Normungsantrag stellt, zahlt für die Einreichung künftig einen Kostenbeitrag. Ein Sondertopf, der von einem neu installierten Normungsbeirat verwaltet wird, soll gewährleisten, dass kleinere Unternehmen und NGOs bis zu drei Normungsanträge pro Jahr kostenlos stellen können. Außerdem soll die Teilnahme an der Normung in den Normengremien künftig kostenlos sein. Derzeit hebt das Normungsinstitut von jedem Teilnehmer einen Beitrag von 450 Euro plus Umsatzsteuer ein. "Damit ermöglichen wir eine kostenlose Teilnahme an der Normung, was vor allem Klein- und Mittelbetrieben hilft", ist Wirtschaftsminister Mitterlehner überzeugt.

Und wie wird die Normungsarbeit künftig finanziert? Eine Frage, die sich auch ASI-Direktorin Stampfl-Blaha stellt. "Dem Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass eine österreichische Normungsorganisation die für die Normungsarbeit erforderlichen personellen und finanziellen Mittel und die erforderliche Infrastruktur sicherzustellen hat. Gleichzeitig wird die Einhebung von Kostenbeiträgen ausdrücklich untersagt. Die öffentliche Hand trägt nach dem bisherigen Entwurf dann sogar weniger an finanziellen Mitteln bei als gemäß dem bisherigen Finanzierungsmodell."

Mehr Aufsicht

Auch besagter neuer Normungsbeirat sorgt für Unruhe. Er soll künftig als Beratungs- und Unterstützungsgremium wirken. Außerdem wird das Aufsichtsrecht des Wirtschaftsministeriums, das bisher auf Anfragen beschränkt war, konkretisiert und erweitert. Zudem werden dem Vorstand der Normungsorganisation in Zukunft auch je ein Vertreter des Bundes und der Länder angehören. Dem nicht genug, soll es ein neues Einspruchsrecht gegen Normungsanträge geben, das von einer gesetzlich eingerichteten Schlichtungsstelle behandelt wird. Bereits im Sommer warnten die internationalen Normeninstitutionen ISO, CEN und DIN als Reaktion auf den Gesetzesentwurf davor, dass Österreich bei Inkrafttreten eines derartigen Normengesetzes aus der internationalen Normung fallen würde. Der Grund: Das heimische Normungsinstitut sei nicht mehr unabhängig, internationale Normen würden frei zugänglich und ein direkter Einfluss des Staates auf das Normungswesen sei zu befürchten. Das stelle "einen Rückschritt in den Bemühungen um einen europaweit gemeinsamen Weg in der Normung dar", so das CEN in einer Stellungnahme.

Auch der gegenwärtige Entwurf berge die Gefahr, dass die Mitgliedschaftskriterien in der europäischen und internationalen Normung nicht erfüllt werden können, warnt nun auch ASI-Chefin Stampfl-Blaha. "Sollte sich herausstellen, dass das Gesetz nicht kompatibel ist, würde Österreich von der Teilnahme an der europäischen und internationalen Normung CEN beziehungsweise ISO ausgeschlossen - mit allen Wettbewerbsnachteilen für die österreichischen Unternehmen und die Wirtschaft."

Normen sind Empfehlungen, deren Anwendung grundsätzlich freiwillig ist. Der Gesetzgeber kann jedoch ÖNORMEN für verbindlich erklären, wodurch sie quasi Gesetzesrang erlangen. Die verpflichtende Einhaltung spezieller Normen kann auch vertraglich vereinbart werden. Als ÖNORM dürfen nur Regelwerke des Vereins Austrian Standards Institute (ASI) bezeichnet werden. Apropos "Normenflut": Durch die europäische Integration haben sich die vormals 150.000 nationalen Normen in Österreich auf 21.000 europaweit geltende verringert. Ende 2013 verwaltete das ASI ein Normportfolio von 24.703 ÖNORMEN, davon waren 2166 rein national.

WAs ist die Norm?