Die Situation Silvio Berlusconis am Tag eins nach der Scheidung von seinem langjährigen politischen Gefährten Gianfranco Fini erinnert ein wenig an Goethes Zauberlehrling: "Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los", mag sich der Partei- und Regierungschef wohl denken, der die neofaschistische MSI 1994 unter ihrem Parteichef Fini, noch vor ihrer Wandlung in die postfaschistische Alleanza Nazionale, in sein Kabinett holte.
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Die Schmuddelkinder von einst haben sich in den Jahren seither zu ernst zu nehmenden nationalkonservativen Politikern gewandelt, denen der Sumpf der Korruption, in den die Umgebung Berlusconis verwickelt ist, sauer aufstößt.
Und weil einige von ihnen das auch offen sagen, will sie Berlusconi nicht mehr in der erst vor 16 Monaten gegründeten gemeinsamen Partei haben und Fini nicht mehr an der Spitze des Abgeordnetenhauses. Aber ein Parlamentspräsident kann in Italien nicht in die Wüste geschickt werden. Und aus der gemeinsamen Partei ausschließen kann Berlusconi Fini auch nicht, weil der als Kammerpräsident der neuen Partei nämlich gar nicht erst beigetreten ist.
Fini, der seit geraumer Zeit immer wieder Berlusconis Machtstreben kritisiert hat, hat aber Vorbereitungen für den Fall der Fälle getroffen, und so konnte er auch am Freitag bereits eigene Fraktionen seiner Anhänger im Abgeordnetenhaus und im Senat präsentieren und dem Premier deutlich machen, dass ohne seine Unterstützung überhaupt nichts mehr geht. Nach dem Ausscheiden von 34 Abgeordneten und 13 Senatoren aus der PdL-Fraktion hat die Regierung nämlich in beiden Parlamentskammern keine eigene Mehrheit mehr.
Die oppositionelle christdemokratische UDC des Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini, auf deren Unterstützung Berlusconi unter anderem hofft, spricht schon von einem Ende des Zwei-Blöcke-Systems und fordert ein neues Wahlrecht, das auch kleinere Gruppen berücksichtigt.
Die Lega Nord, deren gewachsener Einfluss zuletzt das gespannte Verhältnis zwischen Berlusconi und Fini weiter strapaziert hat, wäre davon auch begünstigt, will aber von Neuwahlen derzeit überhaupt nichts hören.
In dieser Zwickmühle zwischen allen Fronten wird es für Berlusconi in den kommenden Monaten zunehmend schwieriger werden, seine Vorstellungen durchzubringen und seine von Korruptionsfällen schwer angeschlagenen Gefolgsleute zu halten. Er geht aus der Krise auf jeden Fall geschwächt hervor, weil er nicht damit gerechnet hat, dass Finis Anhänger den Schritt zur Trennung wirklich machen könnten.
Und dem gescheiterten Zauberlehrling könnte dann Dante einfallen, wo es im sechsten Gesang aus dem Fegefeuer in der Göttlichen Komödie heißt: "Geknechtetes Italien, Haus der Schmerzen, Schiff ohne Steuermann in großem Sturme, nicht Länderkönigin, nein Hurenkammer!"