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Der zerrissene Mister Boehner

Von Georg Friesenbichler

Wirtschaft

Tea Party versagt Republikaner-Boss die Gefolgschaft. | Wahlkampf statt Konfliktlösung.


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Washington. Es war eine weitere Blamage für den "Speaker", den Sprecher der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus: John Boehner, eine Art Parlamentspräsident, musste seinen Plan zu Einsparungen vorübergehend zurückziehen. Der Grund: Es war nicht sicher, ob er in seiner eigenen Partei eine Mehrheit gefunden hätte.

Es geht um die Anhebung der Schuldenobergrenze von 14,3 Billionen Dollar, für die noch eine Woche Zeit bleibt, ehe die USA zahlungsunfähig werden. Seit Wochen wird über die Bedingungen dafür zwischen den beiden großen Parteien, den Republikanern und den Demokraten, erbittert gerungen. Boehners Kompromissvorschlag sah vor, zunächst die Schuldenobergrenze um eine Billion anzuheben und im Gegenzug Ausgabenkürzungen in der Höhe von 1,2 Billionen Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren zu vereinbaren.

Allein, das parteiunabhängige Congressional Budget Office stellte fest, dass die geplanten Einsparungen nur 840 Millionen Dollar umfassen würden - zu wenig für die konservativen Hardliner seiner Fraktion, aber auch für die Berater von US-Präsident Barack Obama. Diese wollten dem Präsidenten zu einem Veto raten, sollte der Plan im Kongress eine Mehrheit finden. Obama hatte eine zeitlich begrenzte Anhebung der Schuldengrenze bereits am Montag abgelehnt.

Angesichts der breiten Gegnerschaft zog Boehner seinen Antrag zurück, um ihn noch einmal zu überarbeiten. Aber auch danach wäre seine Annahme im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner die Mehrheit stellen, noch nicht sicher. Denn vor allem die Anhänger der konservativ-fundamentalistischen Tea-Party-Bewegung stemmen sich gegen jeden Kompromiss zur Schuldenobergrenze. "Ich werde nicht für deren Anhebung stimmen", erklärte Michelle Bachmann, die neue Tea-Party-Ikone, die sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewirbt.

Die Wahlen am 6. November 2012 sind auch der Hauptgrund für die Zähigkeit der Auseinandersetzung. Der konservative Republikaner-Flügel möchte keinen Zollbreit von seinem ideologischen Standpunkt abgehen, keine Steuererhöhungen zuzulassen. Obama will dagegen die Abgaben für die reichsten US-Amerikaner erhöhen und gleichzeitig Einsparungen machen. Vom umstrittenen Steuer-Problem ist freilich auch in einem Kompromissvorschlag des demokratischen Senatspräsidenten Harry Reid keine Rede. Dieser sieht Einsparungen in Höhe von 2,7 Billionen vor, allerdings kaum bei den Sozialprogrammen, die den Demokraten besonders wichtig sind. Um den gleichen Betrag soll laut Reids Plan die Schuldengrenze nach oben geschraubt werden. Das würde die USA über den Wahltag hinaus vor dem Staatsbankrott retten. Aber auch dieser Idee ist eine Mehrheit keineswegs sicher.

Mehrheit für Mix

Dabei sind laut einer jüngsten Umfrage 56 Prozent der US-Amerikaner für einen Mix aus Einsparungen und Steuererhöhungen. Boehner war angeblich zu einem derartigen Kompromiss schon bereit, musste ihn aber unter dem Druck der rechten Tea Party wieder fallen lassen. Diese stellt seit dem Erfolg bei den Zwischenwahlen 2010 im Abgeordnetenhaus 60 von 240 Republikanern, ohne sie geht daher kein republikanischer Vorschlag durch. 31 Prozent geben den Republikanern die Schuld an der Blockade im Streit, 21 Obama. "Die Uhr tickt", warnte die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Sie fürchtet die unabsehbaren Konsequenzen für die Weltwirtschaft, sollte der Konflikt nicht rasch beigelegt werden.