Im Jemen herrscht Alarmstimmung, westliche Staaten schließen ihre Botschaften. Nachdem schiitische Rebellen ihre Macht ausgeweitet haben, drohen sich die Kämpfe zu verschärfen. Profitieren davon könnte Al-Kaida.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sanaa/Wien. Wie sehr sich die Lage im Jemen verschärft hat und wie sehr für die Zukunft des umkämpften Landes nur das Schlimmste erwartet wird, zeigt der nun gesetzte Schritt westlicher Länder: Sie haben ihre Botschaften in der Hauptstadt Sanaa aus Sicherheitsgründen geschlossen. Den Anfang machten die USA, es folgten am Mittwoch Großbritannien und Frankreich. Österreich unterhält keine Botschaft in dem Land. Auf der Homepage des Außenministeriums wird aber allen Österreichern "die umgehende Ausreise aus Jemen dringend empfohlen". Ähnliche Reisewarnungen gibt es auch von sämtlichen anderen westlichen Ländern.
Die ohnehin schon fragile Lage im ärmsten arabischen Staat hat sich in den vergangenen Tagen noch einmal zugespitzt: Die aus dem Norden stammenden Houthi-Rebellen haben immer mehr Macht an sich gerissen. Sie kontrollieren den Nordwesten des Landes sowie die Hauptstadt Sanaa und sollen auch immer mehr in Richtung Osten und Süden vorstoßen. Die vom erst 33-jährigen Abdelmalik al-Huthi angeführten Milizionäre haben bereits das Parlament in Sanaa für aufgelöst erklärt und die Bildung eines sogenannten Präsidentschaftsrates bekannt gegeben. Dieser soll für eine Übergangsfrist von zwei Jahren die Regierung bilden.
Wie kompromisslos sie vorgehen, haben die Houthi-Milizen schon Ende Jänner bewiesen, als sie den Übergangspräsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi unter Druck setzten. Sie beschossen damals die Residenz von Hadi und töteten mehrere seiner Leibwächter. Hadi haben die Rebellen mittlerweile für abgesetzt erklärt. Dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Wiedereinsetzung des "legitimen Präsidenten" forderte, scheint sie nicht zum Einlenken zu bewegen. Ganz im Gegenteil: Die Houthi-Rebellen halten laut Berichten aus dem Jemen Hadi und auch weitere Politiker unter Hausarrest.
Unter diesem Aspekt drohen die von der UNO vorangetriebenen Gespräche verschiedenster politischer Gruppierungen über eine Beilegung der Staatskrise zur Makulatur zu werden. Es wäre vielleicht gar nicht so schwierig, einen neuen Präsidenten zu finden, sagte ein Linkspolitiker der Nachrichtenagentur Reuters. Das Problem sei aber, dass dieser dann der Gnade der Rebellen ausgeliefert sei.
Der Jemen kommt schon seit Jahren nicht mehr zur Ruhe. Im Zuge des Arabischen Frühlings wurde 2012 der autokratische Langzeit-Präsident Ali Abdullah Saleh gestürzt. Die Demokratieaktivisten, die damals am Sturz von Saleh stark beteiligt waren, wurden mittlerweile an den Rand gedrängt. Stattdessen kämpfen verschiedenste politische Fraktionen und bewaffnete Gruppierungen um die Macht. Die Bündnisse wechseln dabei schnell. Das zeigt sich etwa darin, dass Saleh, der als Präsident die Houthi-Rebellen noch bekämpft hatte, nun deren Aufstieg unterstützt haben soll.
Saudi-Arabien und Iran ringen um Einfluss
Die Houthi-Milizionäre verkünden gerne, dass sie im Sinne des Volkes handeln und das bitterarme Land, das an Wasserknappheit leidet, von der Korruption säubern wollten. Tatsächlich stellt ihre Machtergreifung aber den ohnehin schon zerrissenen Jemen vor eine neue Belastungsprobe, die Kämpfe drohen noch weiter zu eskalieren. Die Houthis stammen aus dem Norden des Landes, sie sind Zaiditen und gehören damit einer lokalen Strömung des schiitischen Islams an. Ihr Aufstieg stärkt nun sezessionistische Tendenzen im Südjemen, der von 1967 bis 1990 ohnehin schon einmal ein eigenständiger Staat war. Zudem wollen sich viele Sunniten, die die Bevölkerungsmehrheit bilden, nicht von den schiitischen Houthis regieren lassen.
Noch ein Umstand droht den Konflikt im Jemen anzuheizen: das Ringen zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran um Einfluss in der Region. Saudi-Arabien wirft Teheran bereits vor, die Houthi-Rebellen zu unterstützen. Wie weit die Verbindungen zwischen dem Iran und den Houthis reichen, ist unklar. Klar ist aber, dass Saudi-Arabien keine Regierung an seiner Grenze sehen will, die das Königreich als Statthalter Teherans wahrnimmt.
Auch die USA haben so ihre Probleme mit den Houthi-Rebellen: Denn diese sind zwar klare Gegner der Al-Kaida, äußern sich aber auch feindlich gegenüber den USA. Es ist nicht ausgemacht, wie weit eine Houthi-Regierung im Kampf gegen die Terroristen kooperiert, nachdem der gestürzte Präsident Hadi noch ein Verbündeter der Vereinigten Staaten war.
Überhaupt geht bei Diplomaten und Politanalysten nun die Sorge um, dass die Krise im Jemen Al-Kaida weiter erstarken lässt. Schon jetzt nutzt die Extremistenorganisation Teile des von unwegsamen Berg- und Wüstenregionen geprägten Landes als Rückzugsgebiet. Nun tauchen auch noch Berichte auf, dass sich in südlichen und östlichen Teilen des Jemen, die bisher nicht von den Houthis kontrolliert werden, sunnitische Stammesführer mit der Al-Kaida verbünden.
Um ein weiteres Erstarken der Al-Kaida im Jemen zu verhindern, wird wohl in den nächsten Tagen fieberhaft vermittelt werden. Wie nahe das arabische Land, das weit weg scheint, an den Westen rücken kann, zeigte sich bei den Attentaten in Paris: Die Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel reklamierte den Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" für sich. Said Kouachi, einer der Attentäter, soll auch in einem jemenitischen Ausbildungslager von Al-Kaida trainiert worden sein.