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Streiks, Demos und Gewalt prägen in Nepal den politischen Alltag.
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Kathmandu/Wien. Nepals Spitzenpolitiker geben sich reumütig. Nach Jahren der Streitigkeiten und einer gelähmten Volksvertretung geloben sie, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hätten und diese nicht wiederholen würden. "Wir haben schon Erfahrung, wir fangen nicht wieder bei null an", sagt etwa Hasilia Yami, eine der führenden Vertreterinnen der Maoisten, die eine der stärksten Parteien darstellen.
Der Grund für die Beteuerungen: Gestern, Dienstag, fanden in dem Himalaya-Staat Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung statt, aus der sich dann die Regierung bilden wird. Und die drei großen Parteien - die Maoisten, die sozialdemokratische Kongresspartei und Marxisten-Leninisten der UML - traten mehr oder weniger mit dem Personal wie vor fünf Jahren bei der Wahl 2008 an - und das, obwohl sie viel Kredit verspielt haben.
Wie weit die Wähler den Großparteien noch einmal eine Chance geben und wie weit sie kleinere Gruppierungen - nicht weniger als 122 Parteien traten an - stärken, wird sich erst in einigen Tagen weisen, wenn auch in den entlegensten Tälern in dem bergigen Land die Stimmen ausgezählt sind. Eines steht aber laut Beobachtern fest: Der Politfrust ist in der Bevölkerung in den vergangenen Jahren gehörig gestiegen.
Hader und Zank
Dabei waren die Hoffnungen 2008 noch groß gewesen. Die Monarchie war abgeschafft, und der Bürgerkrieg - ein zehnjähriger Feldzug der Maoisten gegen Staat und Königshaus - war beendet. Die damaligen Wahlen sollten den Weg zu einer blühenden Demokratie und mehr Wohlstand in dem bitterarmen Land, in dem etwa Kinderarbeit weit verbreitet ist, ebnen.
Doch es regierten Hader und Zank. Die Parteien schafften es in den vergangen fünf Jahren nicht, Nepal eine neue Verfassung zu geben. Sie stritten sich darum, in welche Regionen der multiethnische Staat unterteilt werden soll, konnten sich nicht darauf einigen, wie die Macht zwischen Präsident und Parlament aufgeteilt werden soll. Ständig kam es zu Regierungswechseln, was die verfassungsgebende Versammlung noch mehr lähmte. Bald wurde nicht mehr durch Parlamentsdebatten Politik gemacht, sondern durch Streiks und Demonstrationen und Gewalt.
Diese überschattete auch die Wahl am Dienstag: In der Hauptstadt Kathmandu wurden bei einer Explosion in der Nähe eines Wahllokals drei Menschen verletzt, darunter ein siebenjähriges Kind, berichtete der staatliche Sender Nepal Television. In mehreren Städten kam es zu Zusammenstößen zwischen Anhängern verschiedener Parteien.

Derartige Auseinandersetzungen hat es auch in den vergangenen Jahren oft gegeben. Dies führte gemeinsam mit der politischen Lähmung des Landes dazu, dass Investoren Nepal mieden und die Wirtschaft nach dem Bürgerkrieg nur sehr langsam in Gang kam. Es gibt wenig Arbeit und für viele junge Menschen keine Perspektive. Jeden Tag verlassen rund 1600 Nepalesen ihr Heimatland, um etwa auf den Baustellen der Golfemirate zu arbeiten.
Manche Spitzenpolitiker leben fernab dieser Nöte, etwa der Vorsitzende der Maoisten Pushba Kamal Dahal, besser bekannt als Prachanda, was übersetzt "der Kämpferische" bedeutet. Der einstige Rebellenkommandant, der die Befreiung der Massen aus dem Joch der Armut predigte, tritt nun selbst nur mehr in sehr feinen Anzügen auf. Und während andere Kandidaten nur auf Pferden entlegene Regionen des Landes erreichten, war Prachanda im Wahlkampf mit dem Helikopter unterwegs.
Kompromisse notwendig
Das könnte den Maoisten, die aus der letzten Wahl 2008 noch als stärkste Kraft hervorgingen, Sympathien und Stimmen kosten. Die Prognosen zum Wahlausgang gingen jedoch auseinander, generell waren sich aber Meinungsforscher nur in einem Punkt sicher: Keine Partei wird die Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, die notwendig wäre, um alleine eine neue Verfassung durchzuboxen. Es wird also Kompromissbereitschaft brauchen - und das war ja zuletzt nicht die Stärke von nepalesischen Politikern.
Wenn sich die Parteien doch auf eine Verfassung einigen sollten, droht aber eine andere Gefahr. 33 Parteien haben zum Wahlboykott aufgerufen, sie könnten sich daher an die Beschlüsse der Volksvertretung nicht gebunden fühlen. Beobachter warnen, dass einzelne dieser Gruppierungen versuchen könnten, zu altbekannten Mitteln zu greifen, um ihren Willen außerhalb der verfassungsgebenden Versammlung durchzusetzen: Demonstrationen, Streiks und Gewalt.