Ex-Zivildiener im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über das Sozialjahr.
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Wien. Wenn die Wehrpflicht fällt, fällt auch der Zivildienst. Das zurzeit viel diskutierte Thema Berufsheer scheint unsere Gesellschaft zu spalten, da viele Meinungen darüber auseinander gehen. Ob und wie das sogenannte Sozialjahr als Ersatz zum Zivildienst funktionieren kann, versuchen fünf ehemalige Zivildiener im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zu beantworten.
Obwohl bei Peter Walder (33 Jahre) der Zivildienst in einem Diakoniewerk schon 14 Jahre zurückliegt, war er für ihn eine wichtige Erfahrung. Seiner Meinung nach kann das soziale Jahr für viele Menschen gewinnbringend sein. Viel wichtiger erscheint ihm aber die Kostenfrage: Wie soll Österreich den Umstieg auf ein Berufsheer oder Sozialjahr finanzieren?
Staatliche Förderung erhofft sich auch Philipp Bauer (21 Jahre), der in seiner Zivildienstzeit beim Arbeitersamariterbund als Rettungssanitäter ausgebildet wurde. Er blickt auf eine spannende Zeit zurück, die ihm, durch eine fundierte Ausbildung, zu einem eigenverantwortungsbewussteren Menschen gemacht habe. Der Übergang zwischen Schule und Universität hätte seiner Ansicht nach nicht besser verlaufen können. Von Politikern erhofft er sich im Falle einer Abschaffung des Zivildienstes ein gut durchdachtes Konzept des Sozialjahres: "Entscheidet sich die Mehrheit für die Abschaffung von Wehrpflicht und Zivildienst, sollte sich die Politik ein gutes Konzept überlegen, welches dann staatlich gefördert werden soll."
Kritischer steht Kevin Attoh (20 Jahre) dem Sozialjahr gegenüber. Während seiner Ersatzdienstzeit beim Wiener Amt für Jugend und Familie (Mag 11), wo er in Wohnheimen arbeitete, entwickelte er ein Gefühl der Wertschätzung. "Ich bekam einen viel besseren Blick dafür, was ich habe und was andere Menschen nicht haben, wie zum Beispiel ein stabiles Umfeld." Von einem Sozialjahr rät er ab: Obwohl man sich zwischen Berufsheer und Sozialjahr entscheiden könne, stehe es einem beim jetzigen Modell des Zivildienstes frei, die Bereiche der Tätigkeiten auszusuchen. Beim sozialen Jahr würde dies so nicht mehr funktionieren.
Ein anderes Problem sieht der ehemalige Rot-Kreuz-Zivildiener Markus Thiel (26 Jahre) im Sozialjahr: "Wenn die Entscheidung zum Sozialberuf freiwillig ist, werden sich weniger Leute dafür melden." Er selbst wäre auch nicht freiwillig zum Dienst angetreten. Zum Glück habe man ihn dazu "gezwungen", denn auf diesem Weg habe er den Sozialberuf für sich entdeckt. Kritik übt der heutige Behindertenbetreuer an der Politik, denn mit einer Volksbefragung habe sie es sich "wiedermal sehr einfach gemacht". Sollte es keine anderen Alternativen geben, sei ein Sozialjahr besser als gar kein Sozialdienst. In Sachen Wehrpflicht ist er sich sicher: "Das Bundesheer kann im bestehenden Format nicht mehr fortgesetzt werden."
Auf gleiche Rollenverteilungen setzt Maximilian Winkler (20 Jahre), der nach erfolgreichem Zivildienst im SOS-Kinderdorf als Kinder- und Jugendbetreuer arbeitet und seit Jänner 2012 eine Fixanstellung hat. "Ein Sozialjahr wäre insofern bedeutend, da auch Frauen in den Sozialberuf schnell einsteigen können." Für ihn war vor allem die Erlernung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten von großer Relevanz. Andererseits müsse man bedenken, dass im Falle einer Abschaffung des Zivildienstes das Gesundheitswesen nicht gut funktionieren würde, da zu wenige Sanitäter im Einsatz wären. Für Maximilian steht fest: "Ohne Zivildienst wäre ich nicht auf den Sozialberuf gekommen." Ein Sozialjahr wäre seiner Meinung nach nicht ganz abzulehnen, aber besser auszubauen. Das Bundesheer müsse nicht sein.