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Der Zufall auf dem Büchertisch

Von Edwin Baumgartner

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Der US-amerikanische Komponist John Cage hat ja den Zufall in allen Lebenslagen erkundet. So hat er sich zum Experten für Pilze ausgebildet, weil in seinem Lexikon "mushroom" unmittelbar vor "music" stand. Irgendwie kommt einem das in den Sinn, wenn man zu Vorweihnachtszeiten durch eine Buchhandlung streift. Ein Schuft, wer Arges bei den in trauter Nachbarschaft liegenden Büchern denkt. Wenn sich da "Frauengeschichten" an "Beobachtungen aus der letzten Reihe" schmiegen, sagt das nichts weiter aus, als dass zwei Bücherstapel nebeneinander aufgetürmt sind.

Ein Unglück geschieht allenfalls, bringt ein Bücherkäufer bei dem Massenangebot die Titel durcheinander. "Wer war Ingeborg Bachmann" heißt es, und der Titel ist, bitteschön, nicht zu verwechseln mit der daran angeschmiegten Christian-Kern-Biografie. "Der Tropfen weiß nichts vom Meer" heißt ein anderes Buch, und Heinrich Böll daneben hat damit nichts zu tun. Deshalb trenne man den vorweihnachtlichen Glühwein strikt vom Bücherkauf. Nicht, dass man am Ende verlangt "Wer war Heinrich Böll?" und "Der Tropfen weiß nichts von Christian Kern". Oder dass man im punschbeschwingten Gedächtnis "Wir sagen uns Dunkles" für das neue Buch Franz Vranitzkys hält. In Wahrheit heißt dieses "Zurück zum Respekt", das andere erzählt die Liebesgeschichte zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann. "Aufregend war es immer", meint Hugo Portischs Buch (übrigens neben "Benita" von Benita Ferrero-Waldner liegend). Womit der Doyen der Politik-Journalisten recht hat. Notfalls holt man sich den Nervenkitzel auf dem Neuheiten-Tisch einer Buchhandlung.