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Der Zugang zu Dokumenten in der EU

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Der Ombudsmann des EU-Parlaments verurteilte die Nichtausfolgung von WTO-Dokumenten durch die Kommission an eine INGO, als eine "schlechte Verwaltungspraxis".


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Der Fall der "Friends of the Earth Europe", der an sich ein Problem des Dokumentenzugangs in der EU darstellt, zeigt, wie eng WTO-rechtliche Probleme mit EU-rechtlichen Fragen verknüpft sind. "Friends of the Earth Europe", eine International Non-Governmental Organisation (INGO), hegte schon seit längerem Bedenken gegen die gesundheitlichen Gefahren, die von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgehen. Aus diesem Grunde verlangte sie auch von der Europäischen Kommission die Herausgabe einer wissenschaftlichen Studie, die diesen Verdacht erhärten könnte.

Die Kommission hatte dieses Dokument - in dem begründete Zweifel an der Unbedenklichkeit genmanipulierter Lebensmittel geäußert wurden - im WTO-Streit mit den USA, Kanada und Argentinien um das Gentechnik-Moratorium benützt, um ihre Verteidigungsposition zu untermauern und das Moratorium zu unterstützen.

Die Kommission weigerte sich aber, die Studie an "Friends of the Earth Europe" auszufolgen und begründete ihre Weigerung damit, dass das obligatorische Streitbeilegungsverfahren im Schoß der Welthandelsorganisation (WTO-Panel) ein gerichtliches Verfahren im Sinne der Dokumentenzugangs-Verordnung (VO 1049/2001) sei und daher auch den Geheimhaltungspflichten eines solchen unterliege. Im übrigen würde die Offenlegung der Studie die Verhandlungsposition der Kommission schwächen.

WTO-Verfahren

Ist aber ein WTO-Panel als ein so genanntes gerichtsförmiges Verfahren anzusehen oder nicht? Die Kommission wies auf den Wortlaut von Artikel 4 Abs. 2 der Dokumentenzugangs-Verordnung hin, gemäß dem sie den Zugang zu einem Dokument zu verweigern habe, durch dessen Verbreitung "der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung" beeinträchtigt würde. Da die WTO-Panel-Verfahren aber eine Art von solchen Gerichtsverfahren darstellen, könne die Europäische Kommission das fragliche Dokument keinesfalls aushändigen, so die Begründung. "Friends of the Earth Europe" bestritt diese Ansicht mit folgender Begründung:

Zum einen seien die (drei) Teilnehmer der Panels Handelsexperten und keine Richter, zum anderen würden sie von den Streitparteien selbst ausgewählt und drittens müsse der Schiedsspruch des WTO-Panels auch vom Streitbeilegungsorgan (DSB) der WTO angenommen werden. Letzteres, nachdem vorher alle 148 WTO-Mitgliedstaaten Gelegenheit gehabt haben, den Entwurf des Schiedsspruchs zu kommentieren. Ein Panel-Verfahren im Schoß der WTO könne daher keinesfalls mit einem Gerichtsverfahren gleichgesetzt werden.

EU-Ombudsmann

Der von "Friends of the Earth Europe" angerufene Europäische Ombudsmann, Nikiforos Diamandouros, schloss sich dieser Argumentation an und bezeichnete die Interpretation der Kommission als zu weit gehend. Sie sei aber nicht nur inhaltlich zu extensiv, sondern würde auch dem Ausnahmecharakter des Artikel 4 Abs. 2 der Dokumentenzugangs-Verordnung widersprechen, der im Gegensatz dazu eine restriktive Auslegung erfordert. In seiner Entscheidung vom 11. Juli 2006 über die Beschwerde 582/2005/PG gegen die Kommission machte der Ombudsmann auch eine verfahrensmäßig vorgesehene so genannte kritische Anmerkung, in der er die Verweigerung des Dokumentenzugangs durch die Europäische Kommission als schlechte Verwaltungspraxis ("maladministration") kritisierte.